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Arzneimittelversorgung von Privatversicherten

Arzneimittelversorgung von Privatversicherten 2023: Zahlen, Analysen, PKV-GKV-Vergleich

Christian O. Jacke und Frank Wild

1. Einleitung

Der vorliegende Bericht setzt die seit 2008 jährlich vorgenommene Analyse der Arzneimittelversorgung der Privatversicherten fort. Im Mittelpunkt stehen die eingereichten Arzneimittelverordnungen der Jahre 2019 bis 2021. Von Interesse sind die einzelnen Marktsegmente, umsatzstärkste und neue Medikamente, orphan drugs, nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel, Generika, Biologika und Biosimilars. Der Bericht vertieft die bisher nur zum Teil vorliegenden Marktsegment-Analysen, weil sie doch aus der Vogelperspektive eine gute Übersicht über die Entwicklungen geben können.

Die Berichtseinheiten erfuhren ebenfalls eine Erweiterung, indem die sogenannten „Daily-Defined-Dose“ (DDD) erstmalig in die deskriptiven Statistiken eingingen. Darunter ist die durchschnittliche Erhaltungsdosis eines Medikamentes zu verstehen, die für eine erwachsene Person nötig ist [1]. Die Vergleichbarkeit von privat und gesetzlich Versicherten in der ambulanten Arzneimittelversorgung erleichtert auf dieser Informationseinheit die Interpretation erheblich. Die jeweiligen PKV-GKV-Vergleiche sind in den einzelnen Abschnitten wiederzufinden, da sie im methodischen Sinne als ein „natürliches Experiment“ zweier unterschiedlicher Versichertenpopulationen tiefere Erkenntnisse über Steuerungseffekte der unterschiedlichen regulatorischen Rahmenbedingungen liefern. Die GKV-Daten stammen von INSIGHT-HEALTH und haben den Vorteil, auch über vergleichsweise kleinere Packungszahlen berichten zu können. Denn neben unterschiedlichen Finanzierungsmodellen gibt es z.T. große Unterschiede zwischen PKV und GKV, die sich in der tagtäglichen Arzneimittelversorgung niederschlagen. Dieser Wettbewerb treibt kontinuierlich weitere Verbesserungen des Gesundheitssystems an.

Die Rolle der PKV, für eine schnelle Implementierung von Innovationen zu sorgen, und der GKV, umfassende Kosteneinsparungen zu organisieren, haben sich bislang als funktional erwiesen. Die Entwicklungen unter Pandemiebedingungen haben allerdings allen Beteiligten deutlich vor Augen geführt, dass die bisherigen Beschaffungs- und Versorgungsstrukturen einen erheblichen Stresstest bedeuteten und Lieferengpässe auslösen können. Ob dann auch gleich die gesamte Arzneimittel-Versorgungssicherheit gefährdet ist, ist am Ende eine empirische Frage, die es (weiter) zu klären gilt.


Die SARS-CoV-2 und COVID-19-Pandemie

Der „Impact“ von SARS-CoV-2 und COVID-19 in den Jahren 2020 und 2021 hat vor den Privatversicherten keinen Halt gemacht. Neben den Effekten auf Mortalität, Morbidität und Arbeitsunfähigkeit war es vor allem das beschlossene Gesetzespaket zum „Ausgleich finanzieller Belastungen in Gesundheitseinrichtungen infolge von COVID-19“ im März 2020, das dem Erhalt der ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen diente [2]. Es waren Steuermittel, Versicherungsbeiträge (GKV) und Prämien (PKV), die die COVID-19-bedingten Mehrausgaben und Umsatzverluste kompensierten und die gemeinsamen Versorgungsstrukturen der ambulanten, stationären und pflegerischen Einrichtungen aufrechterhielten.

Demgegenüber fällt es gegenwärtig allen Kostenträgern weiterhin schwer, das Ausmaß der Pandemie nach epidemiologischen Prinzipien klar zu fassen. Es gibt in verfügbaren Sekundärdatensätzen keine Anhaltspunkte für geimpfte Personen in der Versichertenpopulation, wenig klare klinische Bezugspunkte für den ambulanten Sektor und/oder Hilfsdiagnosen für den stationären Sektor. Ein gezieltes Vorgehen für bestimmte Risikogruppen zur Steigerung der SARS-CoV-2-Impfquoten ist auf Basis der derzeitigen Datenlage kaum möglich. Neue Ansätze aus der Forschung sind daher von zentraler Bedeutung.

Auf wissenschaftlicher Ebene muss man aber feststellen, dass die Auseinandersetzung mit der Pandemie und ihren Folgen jetzt erst langsam beginnt. Das betrifft nicht so sehr die medizinische Grundlagenforschung, die mit der Entwicklung erster Impfstoffe oder Medikamente u.a. am Pharmastandort Deutschland – zu dem die privaten Krankenversicherungen einen erheblichen und überproportionalen Beitrag leisten – die wissenschaftliche Herausforderung längst angenommen hat. Vielmehr betrifft es diejenigen Forschungszweige, die sich mit den Folgen der nicht-pharmazeutischen Schutzmaßnahmen (Masken, Quarantäne etc.) auf die Bevölkerungsgesundheit und alle anderen gesellschaftlichen Felder auseinandersetzen. Diese Aufarbeitungsphase setzt gegenwärtig erst ein, weil viele mittel- bis längerfristige Effekte erst langsam spürbar und damit messbar werden.


"Pandemie-Impact"

Der vorliegende Bericht setzt an diesem Punkt an und bezieht sich auf die Arzneimittelversorgung der Prä-Pandemie-Zeit 2019 und der beiden Folgejahre 2020 und 2021. Die Vorjahresvergleiche ermöglichen eine Berichterstattung über den „Impact“ der Pandemie auf die Privatversicherten, der sich anhand des Arzneimittelverbrauchs im ambulanten Setting v.a. auf das Inanspruchnahme- bzw. Einreichungsverhalten der Privatversicherten sowie indirekt auf das Verordnungsverhalten der niedergelassenen Haus- und Fachärzte bezieht. Daher muss dieser Arzneimittelbericht etwas weiter ausholen und das Geschehen des ambulant niedergelassenen Sektors anhand aggregierter PKV-Verbandszahlen aufarbeiten.

Generell war zu beobachten, dass viele Versicherte eine Infektion mit SARS CoV-2 in Arzt- und Zahnarztpraxen, Gesundheitseinrichtungen oder Krankenhäusern fürchteten und viele Termine absagten (oder absagen mussten) oder in die Zukunft verlegten [3]. Bei den gesetzlich Versicherten gab es im ersten Jahr der Pandemie 2020 insgesamt 25,4 Mio. ambulante Arztkontakte weniger als noch im Vorjahr [4]. Das entsprach einem Rückgang von -4,3% und kann für die Versicherten eine Unterversorgung bedeuten.

Diese Entwicklung befürchten die privaten Krankenversicherungen ebenfalls, weil es eine Verschiebung von akuten hin zu chronischen Erkrankungen, von ambulanten zu (verzögerten) stationären Versorgungen oder, im besonders drastischen Ausmaß, von möglichen kurativen hin zu palliativen Behandlungen bedeuten kann. Es drohten höhere Versorgungskosten, die man unter „normalen“ Bedingungen mit einer angemessenen Arzneimitteltherapie gut hätte vermeiden können. Aus diesem Grund kommt der diesjährige Arzneimittelbericht ohne diese Rahmen- und Kontextinformationen nicht aus, um die zahlreichen und vielfältigen „einschneidenden Ereignisse“ (engl. driving disruptions) einzuordnen.


Lieferengpässe, Versorgungs- und Patientensicherheit

Unklar ist dabei, wie sich die vielfältigen Lieferengpässe und Probleme in der Arzneimittelproduktion (z.B. China, Indien) auf die Arzneimittelversorgung der Privatversicherten auswirkten. Frühzeitige Begrenzungen durch das Bundesamt für Arzneimittel (BfArm) kamen bereits im März 2020 und sollten frühzeitige Versorgungsengpässe vorbeugen [5]. Diese Rationierungen konzentrierten sich auf „versorgungsrelevante Wirkstoffe“ und gingen auf eine bearbeitete Liste der WHO der „Essential Medicines“ zurück [6]. Das Vorgehen ist nicht unbegründet, wie die Analysen von Experten zu Lieferengpässen in der Arzneimittelversorgung vor der Pandemie mit Wirkung auf die Patientensicherheit zeigen [7]. Ein Blick auf die Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe verdeutlicht das. Es geht dabei um Schmerzmittel (z.B. Paracetamol, Morphin), Antidiabetika und Insuline, Antibiotika, Penicilline, antivirale Arzneimittel für Herpes Zoster, HIV oder Hepatitis C, Zytostatika, Mittel zur Behandlung von Herz-Kreislauferkrankungen, Präparate gegen Multiple Sklerose (Alemtuzumab) oder Schuppenflechte (Ustekinumab) und viele andere mehr [5]. Prominent hervorheben kann man das Brustkrebsmedikament Tamoxifen, das für viele Brustkrebspatientinnen lebenswichtig ist und über mehrere Wochen im Jahr 2022 nicht verfügbar war [8]. Mangelerscheinungen in diesem Ausmaß sind für das deutsche Gesundheitswesen ein Novum.

Die Ursachen für diese Entwicklungen sind vielfältig. Zuletzt stand das Festbetragssystem in der Kritik, da es den Herstellern nicht zur Deckung der gegenwärtigen Produktionskosten reiche [9]. Außerdem gerieten die Rabattverträge immer mehr in die Kritik, da sie nur einen – und dann den billigsten – Produzenten unter Exklusivvertrag nehmen [10-14]. Der regulatorische Rahmen sollte daher diese „exklusiven Rabattverträge“ mit nur einem Hersteller verbieten [15, 16]. Allerdings haben Rabattverträge im Allgemeinen eine wichtige Funktion: sie fixieren Preise zu festgelegten Mengen zu fixierten Zeiten und geben im Austausch den Herstellern eine weitreichende Planungs- und Produktionssicherheit. Die Einsparungen für das Gesundheitssystem sind dabei von beträchtlicher Bedeutung [17, 18].

Das aber wiederum setzt funktionierende Lieferketten und zuverlässige Produktionsstrukturen voraus, was unter Pandemiebedingungen bezweifelt werden kann. Insofern waren die gesetzlichen Krankenkassen dazu gezwungen, ihre Rabattverträge während der größten Not der Lieferengpässe zu lockern [19-21]. Insbesondere bei Generikaprodukten wurden Ausnahmeregelungen erlassen, nach denen Apotheken ansonsten wirkstoffgleiche Arzneimittel herausgeben durften – allerdings ohne Retaxierungen infolge verletzter Rabattverträge fürchten zu müssen [22, 23]. Die Pandemiebedingungen führten somit auf der Ebene der Verteilung (Apotheken) zu einer „Annäherung“ regulatorischer Bedingungen zwischen PKV und GKV. Ob die exklusiven Rabattverträge damit einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisteten oder nicht, dürfte sich auf eine Glaubensfrage reduziert haben [24].

Gegenwärtig ist zu beobachten, dass schärfere Auflagen für Rabattverträge bereits beschlossene Sache sind [25]. Dabei sollen die exklusiven Rabattverträge der Machart 2.0 zusätzlich eine dreimonatige Arzneimittelreserve anlegen, um mögliche Lieferengpässe überwinden zu können. Die dazu passende Gegenposition, die erweiterten Austauschmöglichkeiten auch über die Pandemiezeiten beizubehalten [26] und parallel dazu zumindest für 22 wichtige Wirkstoffe die Produktion wieder nach Europa zu holen [27, 28], verdeutlicht, welche unterschiedlichen Schlussfolgerungen man aus den Lehren der Pandemie ziehen kann.


Relevanz für Privatversicherte

Die GKV-Rabattverträge betreffen die Privatversicherten indirekt. Bei Privatversicherten kann ein Präparat oder Wirkstoff in Abstimmung mit dem niedergelassenen Arzt verordnet, verteilt oder ggf. in der Apotheke freiwillig ausgetauscht werden, je nach Verfügbarkeit und PKV-Tarif. Sollte aber dauerhaft die Angebotsvielfalt essenzieller Wirkstoffe über mehr als 3 Monate abnehmen, können die noch verbliebenen Produzenten kurzfristig die frei werdenden Produktionskapazitäten nicht übernehmen. Die Versorgungssicherheit und die Arzneimittelverfügbarkeit sind für alle Versicherten gefährdet.

Bei den privaten Krankenversicherungen waren Rabattverträge bislang wenig verbreitet, weil den möglichen Einsparungen die gegenüberstehenden Mengen als Verhandlungsmasse meist zu gering waren und keine direkten, an die Verordnung heranreichenden Steuerungsinstrumente zur Verfügung standen. Daher konnten nur sehr selten und vor allem wenige Versicherer ihre (wenigen) Rabattverträge öffentlich zur Sprache bringen [29, 30].

Daran hat sich jedoch grundlegend etwas geändert. Denn mittlerweile können die niedergelassenen Ärzte existierende Rabattverträge einer privaten Krankenversicherung in einigen Praxisverwaltungssystemen (PVS) und/oder Arztinformationssystemen(AIS) erkennen. Damit erhalten kooperative Strukturen von privaten Versicherungen einen neuen Sinn und eine neue Aufgabe. Zuerkennen ist das beispielsweise an der LM + Leistungsmanagement GmbH mit ihrer eigenen Gesellschaft [31, 32] oder einem vertraglich abgesicherten Zusammenschluss mehrerer Versicherungen, die ein innovatives Versorgungsmanagement (IVM) betreiben [33]. Die genannten Kooperationsformen haben gemeinsam, die Einkaufs- und Verhandlungsmacht mehrerer privater Versicherungen zu bündeln und die Quoten von bestimmten Wirkstoffen und/oder Herstellern zu steigern. Neue und innovative Arzneimittel von forschenden Arzneimittelherstellern sowie Generikaherstellern stehen dabei im Mittelpunkt, wenn man offiziellen Pressemitteilungen folgt. Welche der Vertragsarten, in welchem Umfang und zu welchen Preisen die Kooperationen verhandeln bzw. verhandelten, ist – wie bei den gesetzlichen Krankenkassen auch – nicht öffentlich zugänglich und Teil eines intensiven Wettbewerbsfeldes. Damit verändert sich der regulatorische Rahmen zwischen PKV und GKV, insbesondere auf der Ebene der pharmazeutischen Hersteller.

Neben den Veränderungen auf der Hersteller-Ebene greifen zudem ab dem Jahr 2019 die „neuen“ Aut-Idem-Regelungen für Generika bei Privatversicherten. Die Apotheken dürfen seitdem eine Substitution für ein wirkstoffgleiches Original-Produkt anbieten, wenn der verordnende Arzt darin das Therapieziel nicht gefährdet sieht und der Versicherte dieses auch annehmen will [34]. Das Verfahren basiert auf Freiwilligkeit und berührt die bestehende Patientenautonomie und -souveränität nicht. Das Prinzip der Freiwilligkeit ist ein wichtiges Element – und ein wichtiger Unterschied zum GKV-System.


Ziel des Berichts

Der vorliegende Bericht zielt darauf ab, anhand der arzneimittelbezogenen Analysen einen Einblick in die COVID-19 bezogenen Effekte zu geben. Wie entwickelte sich die arzneimittelbezogene Nachfrage der Privatversicherten? Unter der Nachfrage sollen im Fortfolgenden der Bezug und die Einreichung eines Arzneimittelrezeptes verstanden werden.

Neben den bereits etablierten Analysen mittels Aggregatzahlen interessiert insbesondere die Arzneimittelversorgung von Menschen, die an chronischen Erkrankungen leiden. Lieferengpässe von wichtigen Arzneimitteln können die Patientensicherheit gefährden, weshalb ein genauerer Blick auf diese Subpopulation notwendig ist.

Außerdem richtet sich die Aufmerksamkeit auf den Teilmarkt der nicht-patentgeschützten Arzneimittel. Neben den Produktions- und Lieferschwierigkeiten im GKV-Markt kann dies zu Verschiebungen im PKV-Warenkorb geführt haben. Außerdem ist unklar, ob und wie stark sich die Einführung der freiwilligen Aut-Idem-Regelung für Generika bei Privatversicherten ausgewirkt hat.


2. Daten und Methoden

Die vorliegenden Auswertungen basieren auf Datenquellen zur PKV. Die PKV Rechenschaftsberichte 2020/21 und 2021/22 steuern grundlegende Leistungszahlen aller privaten Krankenversicherungen bei [35, 36]. Ergänzend trägt das Zahlenportal der PKV weitere Informationen bei [37]. Diese Daten dienen der Berechnungen von Aggregatzahlen und berichten über die Leistungsausgaben der eingereichten Arzneimittelrezepte und Rechnungen bei allen privaten Krankenversicherungen in den Jahren 2019 bis 2021. Angaben dieser Datenquellenenthalten keine Leistungen, die auf die Beihilfe zurückgehen.

Zum anderen stehen die zur Kostenerstattung eingereichten Arzneimittelverordnungen/ ‑rechnungen von insgesamt 17 privaten Krankenversicherungsunternehmen zur Verfügung. Das Wissenschaftliche Institut der PKV (WIP) pflegt diesen Datenpool mit versicherungsspezifischen und umfangreichen Maßnahmen der Datenqualitätssicherung. Die Daten beziehen sich ausschließlich auf die ambulante Versorgung.

Es handelt sich dabei um die reinen Rechnungsbeträge, die von den Privatversichertenverauslagt und später eingereicht wurden. Angaben aus dieser Datenquelle enthalten Abzüge aus diversen Rabatten (gesetzlicher Herstellerabschlag etc.), nicht aber unternehmensindividuelle Rabatte. Die tatsächliche Höhe der Erstattungen, d.h. der Leistungsbeträge, können mit Daten aus dieser Quelle nicht abgebildet werden. Die Erstattungsbeträge der Beihilfe sind aus den gemeldeten Daten heraus nicht einsehbar.

Arzneimittel, die während eines stationären Aufenthaltes (beispielsweise im Krankenhaus oder während einer stationären Rehabilitation) in Anspruch genommen wurden, sind nicht in den folgenden Analysen enthalten. Gleiches gilt für Arzneimittelverordnungen, die ein Privatversicherter nicht zur Kostenerstattung einreicht. Diese Ausgaben entziehen sich den vorliegenden Analysen.


Datenselektion

Der Rohdatensatz umfasst insgesamt 68,8 Mio. (2019), 67,6 Mio. (2020) und 64,1 Mio. (2021) Datensätze. Nach Ausschluss der nicht weiter spezifizierbaren Artikel ohne PZN (insgesamt 1,8 Mio.) gingen insgesamt 198,7 Mio. Datensätze in die späteren Hochrechnungen ein.

Hinter den 198,7 Mio. Beobachtungen können sich mehrere Packungen verbergen. Daher ist die Gesamtzahl aller Packungen mit 214,5 Mio. höher als die Anzahl der Datensätze. Der Bedarf geht auf durchschnittlich 6,5 Mio. Privatversicherte zurück. Die Tendenz der sinkenden Anzahl von eingereichten Rezepten und der einreichenden Personen ist erkennbar. Die Anzahl der einreichenden Personen verteilt sich auf mehrere Beobachtungsjahre, da die Statistik das Einreichungsjahr (nicht das Bezugsjahr) berücksichtigt.


Externe Validität

Ein Vergleich der vorliegenden Stichprobe von 17 Mitgliedsunternehmen mit der PKV-Grundgesamtheit anhand ausgewählter demografischer und vertraglicher Merkmale offenbart einen hohen Grad an Überreinstimmung. Die datenmeldenden 17 PKV-Unternehmen repräsentieren 83,0% der PKV-Versicherten und verdeutlichen, dass das Auswahlverfahren stabile und gültige Aussagen über die PKV-Versicherungsgemeinschaft treffen kann (externe Validität).

Diese Annahme stützen Auswertungen zu soziodemografischen Merkmalen. So sind in der Stichprobe insgesamt 57,3% Männer vertreten. Außerdem sind 53,2% Personen in einem Beihilfetarif abgesichert. Das mittlere Alter in der Stichprobe beträgt wie in der Grundgesamtheit 51 Jahre, bei Männern 53 Jahre und bei Frauen 47 Jahre. Diese Kennzahlen sind sehr nah an den Merkmalen, die die Zielpopulation der Privatversicherten charakterisiert. Die Tabelle 2 zeigt die Merkmalsausprägungen im Vergleich.


Externe Datenquellen

Die ausgewerteten Daten zur Arzneimittelversorgung in der PKV werden mit Daten der GKV verglichen. Die Arzneiverordnungsdaten der GKV (Umsatz- und Verordnungszahlen) sind dem Arzneiverordnungs-Report (AVR) 2021 entnommen [38]. Der AVR dokumentiert die Ergebnisse einer Vollerhebung der Arzneimittelverordnungen in der GKV bis zum Jahr 2020. Es handelt sich hierbei im Wesentlichen um Fertig- und Rezepturarzneimittel. Detaillierte Daten zu den einzelnen Arzneimitteln oder Wirkstoffen liegen für die 3.000 verordnungshäufigsten Medikamente vor. 

Hiermit werden über 95% aller Verordnungen und 90% aller Nettokosten in der GKV im Arzneimittelbereich abgedeckt. Keine detaillierten Angaben sind dementsprechend für Medikamente mit niedrigen Verordnungszahlen, für Präparate zur Behandlung seltener Erkrankungen („orphan drugs“) und für nicht-verschreibungspflichtige Medikamente (da diese nur in Ausnahmefällen in der GKV erstattungsfähig sind) verfügbar.

Aus diesem Grund stellt INSIGHT Health seine GKV-Daten zu neuen Medikamenten und Wirkstoffen, die den AMNOG-Prozess durchliefen, zur Verfügung. Diese Daten beziehen sich auf die Jahre 2016 bis 2020. INSIGHT Health erhebt die GKV–Verordnungsdaten für die Fertigarzneimittel direkt bei den Apothekenrechenzentren auf der Basis von Rezeptabrechnungen. Zubereitungen, Hilfsmittel und nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel werden nicht erfasst. Im Gegensatz zum AVR erlaubt der INSIGHT Health Datensatz gezielte Analysen für den Verbrauch und Bedarf von neuen Medikamenten und Wirkstoffen mit niedrigeren Verordnungszahlen.

Daneben stellte INSIGHT Health seine GKV-Daten zu neuen Medikamenten und Wirkstoffen, die den AMNOG-Prozess durchliefen, zur Verfügung. Diese Daten beziehen sich auf die Jahre 2012 bis 2021. INSIGHT Health erhebt die GKV-Verordnungsdaten für die Fertigarzneimittel direkt bei den Apothekenrechenzentren auf der Basis von Rezeptabrechnungen. Zubereitungen, Hilfsmittel und nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel werden nicht erfasst. Im Gegensatz zum AVR erlaubt der INSIGHT Health Datensatz gezielte Analysen für den Verbrauch und Bedarf von neuen Medikamenten und Wirkstoffen mit niedrigen Verordnungszahlen.


2.2 Unterschiede zwischen PKV- und GKV-Populationen

Die Anzahl der GKV-Krankenkassen ist weiter rückläufig. Im Jahr 2021 betrug die Anzahl der Krankenkassen insgesamt 103 [39].

Weitere Unterschiede betreffen die Versichertenzahl und die Versichertenstruktur der GKV. Der Anteil männlicher Versicherter in der GKV ist mit 48,2% (s. Tab. 3) deutlich niedriger als in der PKV mit 58,1% (s. Tab. 2). Entsprechend ist der Anteil weiblicher Versicherter in der GKV mit 51,8% weitaus höher als in der PKV mit 41,9%. Insgesamt unterscheiden sich die GKV- und PKV-Populationen um gute 10 Prozentpunkte, durch mehr Männer und weniger Frauen in der PKV. Hinzu kommen die Altersunterschiede. Im Median ist die GKV durchschnittlich 6 Jahre jünger als die PKV-Population. Diese Altersunterschiede verursacht die männliche Population mit einem medianen Alter von 42 Jahren in der GKV (PKV 52 Jahre). Das mittlere Alter der weiblichen Subpopulation ist mit 47 Jahren jeweils gleich in der GKV und PKV.

2.3 PKV-Marktanteil nach Anzahl der Versicherten

Anhand der Versichertenzahlen aus GKV und PKV lässt sich der PKV-Marktanteil nach Versicherten ableiten. Im Jahr 2021 betrug die Anzahl der PKV-Vollversicherten insgesamt 8,7 Mio. Personen. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Bestand zum Jahresende um -0,1% gesunken. Die Anzahl der gesetzlich Versicherten betrug im Jahr 2021 insgesamt 73,3 Mio. Versicherte, was eine Veränderung von 0,03% im Vergleich zum Vorjahr bedeutete.

Aus den Versichertenzahlen von PKV und GKV ergibt sich ein PKV-Marktanteil von 10,6% im Jahr 2021. Dieser Wert hat sich im Vergleich zum Vorjahr nicht verändert. Im Fortfolgenden wird der PKV-Marktanteil gerundet und vereinfachend mit 11% festgelegt.

Der PKV-Marktanteil errechnet sich stark vereinfachend aus den Versicherten-Populationen der GKV und der PKV. Tatsächlich aber ist bekannt, dass die Gruppen der „Nicht-Versicherten“ und der „Sonstigen Versicherten“ existieren. Über deren Größe und Tendenzen gibt es jedoch widersprüchliche Angaben, da Datenquellen (z.B. Mikrozensus, Stichprobenbefragungen) unterschiedlichen Selektionsmechanismen und Abgrenzungsschwierigkeiten unterliegen.

Der im Fortfolgenden verwendete PKV-Marktanteil von 11% ist daher als Näherung an die wahren Verhältnisse in der Bevölkerung zu verstehen. Der Marktanteil dient später als Kriterium, um stark vereinfachend eine über- oder unterproportionale Beteiligung der PKV an den verschiedenen Arzneimitteln in den jeweiligen Marktsegmenten zu erkennen.


2.4 Verfahren der Hochrechnung

Das Hochrechnungsverfahren basiert auf einem Warenkorb, der aus den immergleichen Versicherungen bzw. Projektteilnehmern besteht. Das gebundene Hochrechnungsverfahren variiert damit nicht in der Zahl der Projektteilnehmer, was bei zeitabhängigen Analysen zu Verzerrungen führen kann.

Der Algorithmus sieht vor, die individuellen Rechnungsbeträge der einzelnen Packungen bzw. Positionen aus der ABDA-Datenbank auszuwählen, zu aggregieren und anhand der relativen Verteilungen auf die Gesamtsumme der Rechnungsbeträge zu skalieren. Dieser Skalierungswert errechnet sich anhand der durchschnittlichen Kopfschäden je Alter, Geschlecht und des Tarifmerkmals (Vollversicherter, Beihilfe). Auf diese Weise bleibt die Zusammensetzung des Warenkorbs unberührt und die Verhältnisse der Alters- und Geschlechterstruktur der gesamten PKV kann auf die Stichprobe der datenmeldenden PKV-Unternehmen übertragen werden.

Die in der vorliegenden Studie angegebenen Ausgaben/Umsätze entsprechenden Werten je Privatversicherten. Eine Aufteilung nach den Kostenträgern PKV, Beihilfe bzw. Selbstbeteiligung der Privatversicherten erfolgt nicht. In Ausnahmefällen wird auf die Rolle der Beihilfeträger verwiesen. Damit unterscheidet sich das methodische Vorgehen zur Gewinnung der Schätzwerte nicht von den Angaben der letzten Jahre [41-43].


Dieser Beitrag ist ein Auszug aus "Arzneimittelversorgung von Privatversicherten 2023" herausgegeben von Christian O. Jacke und Frank Wild. Alle Informationen zum Titel erhalten Sie hier.


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