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DEMIS: ein digitales Meldesystem

THOMAS JENZEN und TORSTEN HOFFMANN


Für einen effektiveren Infektionsschutz wurde das Meldesystem für Infektionskrankheiten u.a. mithilfe der gematik digitalisiert: Mit dem sukzessiven Ausbau des Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystems für den Infektionsschutz (DEMIS) lassen sich Infektionsmeldungen elektronisch versenden und verarbeiten. Das erleichtert den Datenaustausch zwischen Ärzten, Laboren und zuständigen Behörden und hilft so, große Infektionsereignisse besser zu verfolgen.

2011 erreichte die EHEC-Epidemie Deutschland. Das Darmbakterium Enterohämorrhagisches Escherichia coli infizierte Tausende Menschen, ließ Hunderte schwer erkranken, mehrere Dutzend Menschen starben (RKI2011, S. 2). Dieses Infektionsgeschehen nahm die damalige Bundesregierung zum Anlass, ein zentrales System zur Erfassung und Überwachung von Infektionskrankheiten aufzubauen. Durch ein zentrales Meldesystem sollten Infektionsmeldungen in elektronischer und somit medienbruchfreier Form vorliegen und übermittelt werden (RKI 2013, S. 8). Das Deutsche Elektronische Meldesystem für Infektionsschutz, kurz DEMIS, sollte diese Aufgabe übernehmen. Über mehrere Jahre wurde in Konzeptphasen prototypisch an DEMIS gearbeitet. Mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie 2020 wurde das System erstmals regulär bundesweit eingesetzt.

Bis zu diesem Zeitpunkt fand der Datenaustausch wie folgt statt: Bei der Entnahme einer Probe durch einen Arzt wurden die Patientendaten erfasst und zusammen mit der Probe an ein Labor geschickt. Das Labor erfasste den Vorgang in einem elektronischen Laborinformationssystem (LIS). Stellte das Labor in der Probe einen meldepflichtigen Erreger fest, musste der Befund an das zuständige Gesundheitsamt übermittelt werden. An dieser Stelle jedoch – beider Ausleitung des Befundes aus dem LIS – mündete der Vorgang in einen Medienbruch, da die für die Weiterbearbeitung zuständigen Gesundheitsämter die Befunde mangels eines zentralen Systems mittels Fax abarbeiteten. Anhand der Postleitzahl des einsendenden Arztes musste das Labor das zuständige Gesundheitsamt samt Faxnummer identifizieren. Bei Irrläufern musste das fälschlich adressierte Gesundheitsamt selbst aktiv werden und den Befund an das korrekte Gesundheitsamt weiterleiten.

Als im Zuge der COVID-19-Pandemie im Frühjahr 2020 massiv steigende Infektionszahlenmit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 auf Deutschland zurollten und damit auch die Infektionsmel­dungen an die Gesundheitsämter enorm anstiegen, stand der öffentliche Gesund­heitsdienst vor einer großen Herausforderung: Er musste Infektionsketten zügig nachvollziehen und schnellstmöglich durchbrechen. Die Meldung der positiven Infektionsnachweise erfolgte jedoch aufgrund eines fehlenden zentralen Meldesystems vorrangig per Telefax. Durch die rasant zunehmende Zahl an positiven SARS-CoV-2-Meldungen der Labore wuchs der manuelle Aufwand zur Übertragung der Meldungen durch die Gesundheitsämter von Fax in weiterverarbeitende IT-Systeme massiv.

Eine verlässliche und vor allem schnelle Weiterleitung ist jedoch entscheidend für die Kontaktnachverfol­gung, die Durchbrechung von Infektionsketten, aber auch die Aufbereitung der offiziellen Fallzahlen zur Einschätzung der pandemischen Lage. Die Dauer zwischen Eingang einer Labormeldung und Weitergabe eines Falls für die Verwendung in behördlichen Vorgängen variierte zu diesem Zeitpunkt zum Teil stark. Die pandemische Entwicklung offenbarte schnell: Die etablierten Meldewege zwischen Laboren und Gesundheitsämtern hielten dem wachsenden Informationsbedarf der Behörden nicht mehr stand. Gleichzeitig stand das im Jahr 2012 durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) angeforderte zentrale Erfassungssystem DEMIS nicht zur Verfügung und rückte somit immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit.

Im Rahmen einer Initiative, die durch das das BMG veranlasst wurde, unterstütztedie gematik das für den Aufbau von DEMIS zuständige Robert Koch-Institut (RKI) dabei, den elektronischen Datenaustausch zu beschleunigen (s. DEMIS-Seite des RKI: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/IfSG/DEMIS/DEMIS_node.html). Die gematik hat die Entwicklung der DE­MIS-Software unterstützt und durch iterative Softwaretests die Qualitätssicherung übernommen. Des Weiteren wurde der Betrieb der DEMIS-Infrastruktur von der gematik verantwortet (s. Themenseite der gematik: https://www.gematik.de/an­wendungen/demis).

Hierzu wurden die in der Konzeptphase von DEMIS diskutierten und zum Teil prototypisch bereits umgesetzten Bestandteile in kurzer Zeit zu einem lauffähigen System hergerichtet. So konnten im Juni 2020 die ersten vier Labore an das Meldesystem DEMIS angeschlossen und ab diesemZeitpunkt SARS-CoV-2-Meldungen auf digitalem Weg an die Gesundheitsämter übermittelt werden (Pressemitteilung der gematik vom 23.06.2020). Zwischen derInitiative des BMG und dem Absetzen der ersten Meldung an DEMIS vergingen etwa zwei Monate.

Mit dieser ersten Ausbaustufe des Deutschen Elektronischen MeldeundInformationssystems konnten diagnostizierende Labore ihre positiven SARS-CoV-2-Meldungen gemäß Infektionsschutzgesetz von nun an digital an DEMIS übermitteln. Dies brachte sofort spürbare Vorteile mit sich:

  • Kostenersparnisse aufgrund des wegfallenden Faxversands,
  • weniger Aufwand durch die automatische Ermittlung des für die jeweilige Meldung zuständigen Gesundheitsamtes (sowie auf Seite des Gesundheitsamts nur Möglichkeit zum Empfang zuständiger Meldungen),
  • beschleunigter Verarbeitungsprozess durch wegfallenden Medienbruch sowie
  • insgesamt schnellere Datenverarbeitung im Sinne der Kontaktnachverfolgung und Pandemieeindämmung.

Zum 1. Januar 2021 wurde die Übermittlung von positiven SARS-CoV-2-Befunden über DEMIS verpflichtend. Diese Verpflichtung hat der Nutzung von DEMIS einen enormen Schub gebracht. Pünktlich zum Jahreswechsel 2020/21 waren alle 375 deutschen Gesundheitsämter sowie zahlreiche Labore angeschlossen. In der darauffolgenden Zeit stieg die Zahl der angeschlossenen Labore stetig an, da sich weitere Labore, z.B. veterinärmedizinische und Kliniklabore, an der SARS-CoV-2-Befundermittlung beteiligten.

Die täglichen Meldezahlen in DEMIS lieferten seither einen wichtigen Beitrag zur Abbildung der Coronavirus-Infektionslage in Deutschland. So wurden in wenigen Monaten über vier Millionen Positivbefunde über DEMIS gemeldet (Stand Anfang Mai 2021). Das Robert Koch-Institut bezieht diese Meldezahlen bei der täglichen Bewertung der epidemiologischen Lage zu COVID-19 mit ein.

Bei der Übermittlung von positiven SARS-CoV2-Befunden ist es nicht geblieben. DE­MIS wird Schritt für Schritt zu einer zen­tralen Drehscheibe im deutschen Melde­wesen ausgebaut: Ende 2020 wurde DEMIS um eine Schnittstelle zu SORMAS (Surveil­lance Outbreak Response Management and Analysis System) für die Kontaktver­folgung in den Gesundheitsämtern erwei­tert. Dieses ursprünglich 2014 für die Bekämpfung von Ebola entwickelte System unterstützt ebenfalls bei der Bewältigung der COVID-19-Pandemie. SORMAS soll die Gesundheitsämter dabei unterstützen, Infektionsketten zu identifizieren und die Nachverfolgung zu erleichtern.

Für Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 war auch die Kenntnis der Ausbreitung spezifischer SARS-CoV-2-Varianten (z.B. Alphaoder Delta-Variante) erforderlich. Zu diesem Zweck wurden Positivbefunde durch eine anschließende Sequenzierung um entsprechende Hinweise zu Mutation und Variante ergänzt, sodass die Gesundheitsämter vollumfängliche Informationen zu ein und demselben Fall erhielten. Dies wurde durch eine Verbindung von DEMIS zum Deutschen Elektro­nischen Sequenzdaten-Hub (DESH) möglich (s. Abb. 1).



Abb. 1 DEMIS (Stand Sommer 2021)

Um die Corona-Pandemie noch aktueller einschätzen zu können, wurde auch die Notwendigkeit der Übermittlung von positiven Schnelltestergebnissen an die Gesundheitsämter erkannt. Dafür wurde auch den Testzentren die Anbindung an DEMIS ermöglicht. Zusätzlich entwickelt die gematik ein an die Telematikinfrastruktur angeschlossenes Meldeportal, das zunächst Leistungserbringern wie Ärzten und Apothekern sowie spätestens ab 2023 auch allen anderen Melde- und Benachrichtigungspflichtigen zur Verfügung steht.Der Gesetzgeber hatzudem bereits weitere Stufen von DEMIS vorgesehen: Zum 1. Januar 2022 sollen sämtliche Erreger¬nachweise mit namentlicher Meldepflicht über DEMIS transportiert werden. Zum 1. April 2022 ist die Unterstützung aller nicht-namentlichen Meldungen gemäß § 7 Abschnitt 3 des Infektionsschutzgesetzes vorgegeben. Ab 1. Januar 2023 müssen dann alle Melde- und Benachrichtigungspflichtigen DEMIS für alle Meldetatbestände nutzen. So wird DEMIS über die COVID-19-Pandemie hinaus an Bedeutung gewinnen und zukünftig eine noch größere Rolle im deutschen Gesundheits- und Meldewesen einnehmen.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Werk Nationale Arena für digitale Medizin herausgegeben von Markus Leyck Dieken.


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