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Apothekenplattformen

Apothekenplattformen – heute und morgen

Tobias Leipold

 

1. Apothekenplattformen heute – ungenutzte Potenziale

Apothekenplattformen gab und gibt es heute bereits von unterschiedlichen Anbietern. Sie werden in der Regel aus der Sichtweise der Apotheken oder aus Apothekenkooperationen heraus entwickelt. Die Grundidee von Plattformen wie beispielsweise gesund.de oder der DocMorris Marktplatz ist es, eine komfortable Möglichkeit für Patienten oder Verbraucher zu schaffen, um OTC (nicht rezeptpflichtige Medikamente), BPC (Beauty and Care) und Rezepte einzureichen und so Marktanteile für die Apotheken zu sichern. Dabei ist ein wesentlicher Treiber die Einführung des E-Rezeptes. Derzeit werden Apothekenplattformen weiter ausgebaut, so zum Beispiel mit Schnittstellen zum Arzt. Die Entwicklung geht oft langsam voran, was zumeist an folgenden Punkten liegt: 

  • Die Schnittstellen müssen oft aufwändig mit allen Anbietern einzeln verhandelt und dann technisch umgesetzt werden. Im Bereich Praxisverwaltungssysteme gibt es beispielsweise weit mehr als 100 unterschiedliche Software-Anbieter in Deutschland. 
  • Der deutsche Markt im Gesundheitsbereich und speziell in der Medikation unterliegt einer sehr starken und komplexen Regulatorik. Aufgrund hoher Konkurrenz werden viele neue Funktionen direkt rechtlich angefochten.
  • Des Weiteren stehen den Apothekensystemen auch protektionistische Haltungen entgegen. Dies liegt einerseits an der „Konkurrenz“ um medizinische Handlungen zwischen Arzt und Apotheke, aber andererseits auch daran, dass die Softwarehäuser jeweils das führende System für den Patienten sein wollen. Dies macht eine einfache Seamless Journey für den Patienten schwierig, wenn er sich beispielsweise zweimal anmelden muss.
  • In der Regel sind zum Aufbau des Patienten-Traffics hohe Marketingkosten notwendig.
  • Die Bereitschaft seitens der Patienten, für solche Leistungen zu bezahlen, ist in der Regel gering.

Wovon die Gesundheitsversorgung profitieren wird, sind miteinander vernetzte Plattformen, die end-to-end gedacht und entwickelt werden. Plattformen sollen sowohl Partner als auch Mitbewerber verbinden und es sollten sich starke Partner mit bereits hohen Online-Kundenzahlen beteiligen, welche die nötige Awareness direkt zu Beginn erzielen können. Um diese Partner zu gewinnen, ist es unabdingbar, dass jeder Beteiligte oder seine Kunden einen spürbaren direkten Nutzen haben und nicht nur eine Partei überproportional partizipiert. In diesem Fall sollten alle am Prozess beteiligten Parteien – der Patient, der Arzt, der Apotheker und auch die entsprechenden Systeme und Ihre Hersteller, inkl. regulatorischer Lösungen profitieren.

Eine Apothekenplattform muss übergreifend entwickelt werden und jeder Teilnehmer muss direkt einen spürbaren Nutzen erleben. 

2. Apothekenplattformen morgen

In Zukunft sollten Apothekenplattformen mit allen Beteiligten in der Prozesskette verknüpft werden, sodass eine End-to-end-Journey nahtlos möglich ist. Weitere Services und auch ganze Plattformen können sich so leicht einklinken. Die Plattformen werden zu Ökosystemen, die neue Möglichkeiten der Patientenversorgung bieten, was im Nachfolgenden an einem exemplarischen Use Case erläutert wird: Ein chronischer erkrankter Patient – beispielsweise mit einem erhöhten Blutdruck – wird durch seine Medikamente-App daran erinnert, dass die Medikamentenpackung in Kürze leer sein wird. Über die App nutzt der Patient die Möglichkeit, das Medikament direkt zu bestellen. Sofort erscheint im Praxisverwaltungssystem des Arztes eine Meldung, in der die Bestellung aufgeführt ist. Mit übermittelt wurden auch weitere Daten des Patienten, wie aktuelle Labordaten (insbesondere Nieren- und Leberwerte) und Information über den kürzlich erfolgten Krankenhausaufenthalt inklusive der Befunde. Die Daten wurden durch KI aufbereitet und für den Arzt prägnant dargestellt. Ebenfalls werden Hinweise für Interaktionen und weitere Herausforderungen sowie leitlinienbasierte Hinweise angezeigt. Das System fragt den Arzt, ob er das gewünschte Medikament direkt verschreiben oder vorher in einem telemedizinischen Termin Rückfragen stellen will. Der Arzt entscheidet sich für Letzteres, woraufhin sein System direkt eine Videosprechstunde vereinbart. Nachfolgend kann der Arzt mit einem Klick ein E-Rezept ausstellen, das dem Patienten sofort zur Verfügung steht bzw. an die vom Patienten vorab definierte Wunschapotheke gesendet kann. Ein Botendienst liefert die Medikamente zur Wunschzeit und je nach Dringlichkeit an den Patienten. Die Ausgabe des Medikamentes wird automatisch mit dem elektronischem Medikationsplan abgeglichen und eingetragen und geht bei festgestellten Herausforderungen direkt an den Facharzt, die Klinik und an weitere angeschlossene Systeme, die diese Informationen benötigen. Parallel erhält der Patient Einnahmehinweise. Arzt und Apotheker können sich direkt mit dem Patienten austauschen. Bei dieser End-to-end-Journey ist eine Vielzahl von Systemen beteiligt. Die primäre Aufgabe des neuen Apotheken-Ökosystems wird sein, zwischen den Systemen zu vermitteln, damit aus einzelnen bereits vorhandenen Touchpoints medienbruchlose Journeys für alle Beteiligten werden. Um das zu gewährleisten, werden neue Tools benötigt, wie zum Beispiel ID-Management with SOO, Kommunikationswerkzeuge und Data-Management.

Plattformen werden zu Ökosystemen und aus arztzentrierten Versorgungslösungen wird patientenzentrierte Digital-Health

Das arztzentrierte Versorgungsmodell wurde in den letzten Jahren sehr gefördert. Beispielsweise wurden telemedizinische Lösungen entwickelt oder Systeme, die in vielen Bereichen noch übliche Kommunikation per Fax ablösen sollen. Mehr und mehr wurden aber auch viele stärker auf den Patienten fokussierte Digital-Health-Lösungen entwickelt, wie beispielsweise die Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs). Es entstehen indikationszentrierte Behandlungspfade, die von der Indikationsstellung bis hin zur Therapie und der weiteren Betreuung digital alles um den Patienten herum organisieren. Mittlerweile sind sehr viele technisch sehr gut entwickelte Systeme am Markt, die oft „stand alone“ ihre Lösungen anbieten. Die Kunst wird in Zukunft sein, diese Systeme patientenorientiert zu zusammenhängenden Prozessen zu verbinden und in einem Ökosystem zu verorten. Durch diese Vernetzung wird die Apothekenplattform Teil der medizinischen Versorgung. Der Erfolg eines Ökosystems liegt maßgeblich darin begründet, diese Prozesse maximal „convenient“ zu gestalten. Die Technologie ist hier mittlerweile sehr weit fortgeschritten, notwendig sind hier aber sicher noch weitere regulatorische Arbeiten an möglichen Lösungen in diesem sehr streng regulierten Markt. Allerdings ist festzustellen, dass Patienten zunehmend digitale Lösungen fordern und die Leistungserbringer und ihre Vereinigungen dazu motivieren werden, bestimmte Regelungen zu verändern, um technische Lösungen zu ermöglichen. 

 

3. Apothekenplattformen übermorgen

Die Apotheke von übermorgen steht im Metaverse. Dies ist zwar derzeit noch in der Anfangsphase was die grafischen Möglichkeiten betrifft und ist auch erst in der Aufbauphase, könnte aber bereits in einigen Jahren weite Teile des Alltags prägen. In der virtuellen Realität entsteht derzeit eine neue Parallelwelt. 

Die Apotheke von übermorgen steht im Metaverse.

Die Idee des Metaverse gilt in der Tech-Szene aber auch in der Gesellschaft als eine sehr große Entwicklungsmöglichkeit. Beginnend beim Gaming beginnen derzeit Industrien mit hohem digitalen Reifegrad, wie beispielsweise Reseller oder Modeunternehmen, sich dort Lokalitäten und Stellplätze zu sichern. Die Entwicklung ist nicht aufzuhalten. Die amerikanische Investmentbank Morgan Stanley schätzt den möglichen Umsatz für das Metaverse und damit verbundene Geschäfte auf 8,3 Bio. Dollar in den Vereinigten Staaten (Rinaldi 2022). Menschen werden sich in dieser virtuellen Realität aufhalten – aber gleichzeitig weiterhin medizinische Herausforderungen in der realen Welt haben. Mithilfe sinnvoller Touchpoints können die beiden Welten miteinander verzahnt werden: So kann eine Person im Metaverse in eine Apotheke gehen, sich beraten lassen und direkt das Medikament bestellen, geliefert wird es per Botendienst an die Haustür in der realen Welt. Stakeholder, die sich rechtzeitig darum bemühen, in Grundstücke im Metaverse zu investieren, bekommen die besten Plätze und können frühzeitig entsprechende Kommunikationslinien und Communitys aufbauen. Für das Metaverse haben sich aufgrund der relativ frühen Entwicklungsstufe noch keine Standards etablieren können, aber neben den audiovisuellen und mittlerweile auch haptischen Effekten bietet das Metaverse eine noch viel größere Chance für die Medizin: den Einsatz des sogenannten digitalen Zwillings (s. Kap. I.2). Laut Michael Korgs hat das Metaverse die Macht, die Gesundheitsversorgung zu verbessern – und dieser Prozess hat bereits begonnen (Korgs 2022). Mithilfe von VR- und AR-Anwendungen kann medizinisches Personal seine Reichweite erweitern. In der Apotheke in der virtuellen Realität können Patienten von Services profitieren, die in der realen Welt aus Ressourcengründen kaum stemmbar wären. Beispielsweise könnte eine voll ausgestattete virtuelle Hightech-Apotheke der Schauplatz eines Seminars werden, in dem ein Apotheker den Patienten über die Krankheit, Therapie und Medikationsanwendung aufklärt. Die Apotheke im Metaverse kann so als vertrauensvoller Ort ihre Kompetenzen in der Medikation ganz neu ausbauen und somit die ärztliche Therapie mit ganz neuen Möglichkeiten stützen. Am digitalen Zwilling kann der Therapie-Effekt innerhalb von Sekunden simuliert werden. Mit ihm kann die Behandlung viel stärker personalisiert und somit optimal eingestellt werden. Auch Kontraindikationen und Nebenwirkungen werden live auf Grundlage von realer Simulation verhindert und die Sicherheit der Medikation deutlich erhöht. Bis dieses Szenario möglich ist, haben alle Akteure noch einen weiten Weg vor sich – der ein hohes Investment in Technologie, aber auch in Datenschutz und Datensicherheit erfordert. Insbesondere empfiehlt es sich, dass vor allem in dem Bereich Datenschutz Regelungen gefunden werden, die international gelten, denn das Metaverse kann andere Grenzen als die natürlichen Länder haben. Die Politik sollte hier frühzeitig handeln und dieses Thema nicht vernachlässigen. Für die Zukunft der Apotheken bedeutet das Metaverse aber grundsätzlich sehr weitreichende neue Möglichkeiten, die aufgebaut und genutzt werden müssen, um die Behandlung personalisierter, effektiver und vor allem besser zu machen.


Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch "Plattformen und Tech-Giganten" herausgegeben von David Matusiewicz. Alle Informationen zum Titel erhalten Sie hier.


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