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Von Statussymbolen und Überstunden

TANJA HEIẞ

Alle reden im Gesundheitswesen über Digitalisierung. In der Politik, bei den gesetzlichen und privaten Kassen, in den Krankenhäusern, aber natürlich auch in den Industrieunternehmen, Beratungen und Start-ups. Es geht um künstliche Intelligenz, Big Data und Bitcoins. Warum? Weil Entscheidungsträger im Gesundheitswesen seit vielen Jahren keine Lösung für Fachkräftemangel, fehlende Erlöse und die steigenden Anforderungen an die Patientenversorgung finden. Nun erhoffen sich viele eine Lösung durch den digitalen Wandel.

Selbstverständlich wird die Digitalisierung vieles verändern und dazu beitragen, dass sich neue Türen öffnen. Viele Vorteile sind heute noch gar nicht vollumfänglich greifbar. Es ist kaum möglich zu ermessen, wo die Grenzen dieser Transformation liegen. Und doch wird sie scheitern. Warum? Weil das Gesundheitswesen an einer anderen Krankheit leidet.

„Die Reform beginnt an der Spitze. Die Treppe muss von oben gekehrt werden.“ (Hermann Simon)

Der Deutsche Wirtschaftswissenschaftler Hermann Simon spricht aus, was die Jahrgänge nach 1980 denken: Das Gesundheitswesen braucht dringend eine Transformation. Es gibt Zahnräder, die dringend erneuert werden müssen. Ein Schlüssel ist dabei das Management.

Betrachtet man die Entscheider-Ebene oberflächlich, so fallen innerhalb kürzester Zeit einige Aspekte auf:

  • Bei Branchenveranstaltungen liegt der Altersdurchschnitt von Referenten und Podiumsdiskutanten seit Jahren weit über 50.
  •  Obwohl das Gesundheitswesen nach Anzahl der Arbeitnehmer eine der größten Branchen in Deutschland ist, haben aktuell nur einige wenige Menschen Einfluss auf ihre Entwicklung.
  •  Die Branche befasst sich fortwährend zähflüssig mit Themen, die in Automobil, IT, Touristik und Logistik bereits vor über zehn Jahren diskutiert und gelöst wurden.

Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich weitere erschreckende Details:

  • Entscheider im Gesundheitswesen glauben, sie wirken innovativ, weil sie die Worte Digitalisierung oder digitale Transformation möglichst oft innerhalb eines Satzes benutzen.
  • Ohne Professur oder Doktortitel bestehen im Gesundheitssystem kaum Chancen auf Akzeptanz, geschweige denn auf Beförderung. 
  • Quereinsteiger werden belächelt und verpönt. 
  • Es macht den Eindruck als erfolgten Beförderungen mehr nach Vitamin B als nach Kompetenz – oder nach Betriebszugehörigkeitsdauer („Peter-Prinzip“).
  • Frauen sind entweder nicht vorhanden oder mehr für die Optik – umso mehr ohne Professor- oder Doktortitel. 
  • Junge aufstrebende Nachwuchskräfte werden systemisch kleingehalten („die jungen Leute“).  
  • Aktuelle Themen wie Digitalisierung werden nicht von Digital Natives diskutiert, sondern von solchen, die es gern wären.
  • Über die Zukunft des Gesundheitswesens entscheiden ausschließlich die, die sie gar nicht mehr erleben werden. 
  • Werte und Leitsätze stehen zwar überall an den Wänden, werden aber kaum irgendwo gelebt. 
  • Es wird versucht zu vermitteln, dass erfolgreiches Management erst ab 60 Wochenstunden gelingt.

Deutschland braucht keine Manager im Gesundheitswesen. Es braucht Führungspersönlichkeiten:

Initiatoren, die den interdisziplinären und -professionellen Austausch nicht nur fördern, sondern explizit fordern – und das generationenübergreifend. Pioniere, die bereit sind die Komfortzone zu verlassen, um neue Wege zugehen.

  • Motivatoren, die Talente erkennen und dazu bringen, über sich hinauszuwachsen.
  • Vermittler, die vier Generationen in den Dialog bringen, um Erfahrungen zwischen Babyboomern, Digital Immigrants, Digital Natives und Technoholics zu transferieren.
  •  Ideengeber, die zu Kreativität und Innovation inspirieren. 
  • Regisseure, die neue Drehbücher schreiben, damit den Protagonisten von morgen das Happy End gelingt. 
  • Mannschaftstrainer, die aus Einzelspielern ein Siegerteam formen. 
  • Dirigenten, die dafür sorgen, dass die Musiker ihres Orchesters im gleichen Rhythmus spielen. 
  • Mentoren, die Verantwortung, Kompetenzen und Motivation übertragen, um die nächste Generation ins Spiel zu bringen.

Der Impuls zur Veränderung kann nur von oben angestoßen werden. Und er kann nur zum Ziel führen, wenn eine neue Führungskultur Einzug ins Gesundheitswesen hält. Warum? Weil die nächste Generation dem bestehenden System sonst eiskalt den Rücken kehren wird.

Die nächste Generation. Einige der sogenannten Manager bekommen regelmäßig Alpträume, wenn es um die neue Generation der Mitarbeiter geht. Im Buchstabensalat von Y und Z hat schon längst keiner mehr den Durchblick. Wo genau hört Y auf und fängt Z an? Wie sollen die Erwartungen dieser so unterschiedlichen Generationen erfüllt werden? Und war nicht früher eigentlich alles besser? Denn eine Philosophie teilen die etablierten Entscheider bereits seit vielen Jahren: „Das haben wir schon immer so gemacht!“ Wie sollen neue Möglichkeiten entdeckt und genutzt werden, wenn sich das Gesundheitssystem irgendwo zwischen Steinzeit und Renaissance festgefahren hat? Und wie soll sich etwas verändern, wenn sich der Rand der Komfortzone nicht auch nur einen Millimeter verschiebt?

Doch ähnlich einem Vulkan hat es im Gesundheitswesen angefangen zu brodeln. Eine neue Bewegung hält aktuell Einzug. Sie steht für eine neue Generation. Eine Generation, die nicht mit einem Buchstaben in einen Sackvoller Klischees gesteckt werden kann. Diese Generation kann nicht am Alter oder am Erfahrungslevel definiert und bemessen werden. Sie definiert sich über ideelle Werte, über intrinsische Motivation und den Wunsch nach Veränderung. Ihre Vertreter sind in (fast) allen Generationen zu finden, doch vor allem in den Jahrgängen nach 1980. Die Entscheider haben noch nicht begriffen, dass sich hier etwas anbahnt. Das eine Generation kommt, die sie verstehen lernen müssen. Denn das Gesundheitssystem braucht diese Generation: Menschen, die den Mut haben, sich immer wieder zu hinterfragen, um etwas zu verändern. Persönlichkeiten, die bereit sind, sich den Herausforderungen zu stellen und das Risiko eingehen, zu scheitern. Gestalter, die nicht nur anprangern, sondern Ideen entwickeln. Gründer, die selbstständig und einfallsreich neue Konzepte realisieren. Gleichgesinnte, die sich freiwillig und unentgeltlich in Think Tanks, Initiativen und Vereinen zusammenschließen. Individualisten, die zum Teil bereits unter 30 neue Meilensteine erreichen und ein Zeichen setzen: Die Generation Hashtag.

Wer ist diese Generation Hashtag und warum wird sie entscheidend sein für den Managementwandel im Gesundheitswesen? Grundsätzlich geht es dabei um eine Bewegung, die in erster Linie durch ihre Haltung geeint wird. Haltung ist ein großes Wort, steht aber für einen Aspekt, der im aktuellen Gesundheitssystem mehr und mehr verschwindet. Die innere Grundeinstellung, die das Denken und Handeln prägt, geht einher mit einem hohen Maß an Integrität. Vertreter der Generation Hashtag beanspruchen beides für sich, weil sie noch nicht in Schubladen denken und noch den Mut haben, Missstände unabhängig von Hierarchien zu benennen. Sie fordern eine Offenheit im System und Klarheit bei Entscheidungen. Kein Schwanken und kein unter den Tisch kehren, sondern ein ehrliches und verbindliches Miteinander.

Das Hashtag steht charakteristisch für den digitalen Wandel und das Zeitalter der digitalen Kommunikation. Denn als Generation Hashtag versteht es diese Bewegung wie keine vor ihr, digitale Medien zu nutzen, digital zu kommunizieren und digital zu denken. Neben technischen Skills vereint sie ein ganzheitlicher digitaler Denkansatz. Warum? Weil sie diese Lebensweise quasi mit der Muttermilch auf- und angenommen hat. Den Vertretern dieser Generation gelingt es scheinbar mühelos, sich jederzeit agil und flexibel auf neue Situationen einzustellen. Sie fordert schnellere Reaktionszeiten und kurze Entscheidungswege im Arbeitsleben. Etwas, das das Gesundheitswesen gerade dringend benötigt. Auch wenn diese Bewegung gefühlt erst vor Kurzem begonnen hat und noch gar nicht bis in die Entscheider-Ebenen vorgedrungen ist, kommt die Branche nicht darum herum, sich intensiv mit ihr auseinanderzusetzen. Und das ist gut so, denn es wird Zeit.

Auszug aus Generation Hashtag (Preview)


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