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3 Fragen an...

Dr. med. André T. Nemat verfügt über eine langjährige klinische Erfahrung, u.a. in der Position als Chefarzt für Thoraxchirurgie, besitzt profundes Wissen in sämtlichen Gebietendes deutschen Gesundheitssystems und berät Unternehmen zu den ethischen Implikationen der digitalen Transformation. Als Vorstandsmitglied der International Data Spaces Association (IDSA) engagiert er sich für die technologische Umsetzung und Wahrung der individuellen Datensouveränität.

Dr. Sarah J. Becker ist als Unternehmerin, Forscherin sowie in der Beratung tätig, um einen ethischen und menschenzentrierten Umgang mit digitalen Technologien zu fördern. Dabei unterstützt sie von DAX-notierten Unternehmen bis hin zu öffentlichen Einrichtungen eine Vielzahl an Organisationen zu Strategien und Maßnahmen, die eine Operationalisierung von digitaler Verantwortung ermöglichen. Darüber hinaus ist sie Mitglied des Digital Ethics Advisory Panel der Merck KGaA sowie Co-Leiterin der Arbeitsgruppe Digitale Ethik der Initiative D21.

1. Wo liegen die digital-ethischen Herausforderungen im Gesundheitssektor?

Dr. med. André T. Nemat: Mit der digitalen Transformation des Gesundheitssektors erleben wir den Einzug von exponentiellen Technologien, Daten und Algorithmen in einen Bereich, der wie kein zweiter durch ein ethisches Selbstverständnis geprägt ist. Das bringt ein besonderes Maß an Verantwortung mit sich. Schon heute können computergestützte Mustererkennung in der Radiologie, Clinical Decision Support Systems oder Real World Data für schnellere und sicherere Diagnosen und Forschungsergebnisse sorgen. Gleichzeitig gehen damit tiefgreifende Veränderungen einher, so etwa im Arzt-Patienten-Verhältnis oder im Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten. Im Hinblick auf die große Erfahrung im Umgang mit ethischen Fragestellungen, die wir in der Medizin bspw. über die vier bioethischen Prinzipien von Beauchamp und Childress verfügen, sind wir jedoch für diese Veränderungen gut gerüstet.

2. Inwiefern lässt sich von anderen Bereichen lernen, um digitale Ethik in der eigenen Organisation zu berücksichtigen?

Dr. Sarah J. Becker: Während der Gesundheitssektor beim Thema digitaler Wandel gerade erste Fahrt aufnimmt, sind wir in anderen Branchen schon viel weiter. Unternehmen digitalisieren ihre internen Prozesse und bauen neue digitale Geschäftsmodelle auf. Dabei sehen wir, dass überall dort, wo Technologien und digitale Anwendungen eingesetzt werden, auch ethische Fragen auftreten. KI-Systeme wie ChatGPT verdeutlichen etwa, dass bereits vorhandene Ungleichheiten und Vorurteile verstärkt werden können. Digitale Ethik als Kompass digitaler Transformation ist daher nicht mehr wegzudenken. Dies trifft vor allem auf Sektoren mit einem hohen digitalen Reifegrad wie Telekommunikation, E-Commerce oder IT-Dienstleister zu. Was diesen Branchen im Vergleich zum Gesundheitssektor jedoch fehlt, ist die historisch verankerte Beziehung zur Ethik. Und hier bin ich überzeugt, dass man viel voneinander lernen kann, wenn man branchenübergreifend denkt. Digitale Ethik sollte zur DNA jedes Unternehmens werden, dass digitale Technologien einsetzt oder entwickelt.

3. Was empfehlen Sie Organisationen, wo sollen Sie starten, wenn digitale Ethik operationalisiert werden soll?

Es gibt nicht nur den einen, ultimativen Weg, digitale Ethik im Unternehmen umzusetzen. Das Thema hat keine stringente Verortung, was auch daran liegt, dass digital-ethische Fragen in ganz unterschiedlichen Abteilungen aufkommen und daher ganzheitlich gedacht werden sollten. Was sich in der Praxis als erster Schritt bewährt hat, ist die Festlegung von digital-ethischen Prinzipien. Prinzipien sind deshalb so fundamental für digital-ethische Konzepte, weil sie durch die Werte, die siebeinhalten, die Ausgangslage für jede weitere Maßnahme schaffen. Damit sie nicht zu bloßen digital-ethischen Feigenblättern verkommen, brauchen Prinzipien jedoch auch eine Verankerung in der Governance eines Unternehmens. Ziel ist es, klare Rollen, Entscheidungsbefugnisse und Verantwortlichkeiten zu definieren, damit Entscheidungen zeitnah und fundiert getroffen werden können. Für eine effektive Operationalisierung digitaler Ethik ist außerdem die Einführung praxistauglicher Tools, die das Thema im Arbeitsalltag anwendbar machen, unerlässlich. Dies schließt bspw. Checklisten, Standards oder Assessments etc. ein, die entweder analog oder (teil)automatisiert in Softwareprogrammen umgesetzt sein können. Mit diesem Dreischritt aus Prinzipien, Governance und Operationalisierung sind Unternehmen fürs Erste gut aufgestellt.


Das Buch "Digitale Ethik in Healthcare(herausgegeben von Dr. med. André T. Nemat und Dr. Sarah J. Becker) beleuchtet die neuen Fragen und Herausforderungen im Kontext digitaler Transformation und vermittelt die Ansätze und Methoden für die Entwicklung ethischer Leitplanken in allen Organisationen, die einen menschenzentrierten Umgang mit Daten und algorithmischen Systemen anstreben.


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