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3 Fragen an...

Prof. Dr. Alfred Angerer ist seit 2009 Dozent an der ZHAW School of Management and Law und fungiert dort als Branchenvertreter des Gesundheitswesens. Als Berater und Coach unterstützt er zahlreiche Organisationen des Schweizer Gesundheitswesens im Bereich Operations und Strategie. Seine Forschungsprojekte liegen im Bereich Prozessoptimierung (Lean Healthcare), Organisationsentwicklung und Digital Health. Anlässlich der Erscheinung von Lean-Exzellenz im OP Management zeigt er im Interview die Bedeutung von Lean Management auf und erläutert, welchen Einfluss die Corona-Krise auf die Einführung des Management-Prinzips hat. 

1. Welchen Stellenwert nehmen Lean-Prinzipien im Management im Gesundheitswesen ein? Und welche Veränderungen in Bezug auf die Management Methoden kann man im deutschsprachigen Raum beobachten?

Sehr viele Jahrzehnte lang hat das Thema Management und Führung in Gesundheitsorganisationen nur eine Nebenrolle gespielt. Die Welt hat sich aber in den letzten Jahren stark verändert, da die Abläufe komplexer, die PatientInnen anspruchsvoller und die Ressourcen immer knapper geworden sind. Deswegen ist die Frage nach der richtigen Management-Philosophie heute so aktuell wie noch nie. Unsere Untersuchungen zeigen klar, dass Lean sich inzwischen zu einem der beliebtesten Management-Ansätze entwickelt hat. Die Lean-Philospohie hat sich deswegen durchgesetzt, weil sie drei Dinge richtig tut: 

  1. Lean stiftet Sinn. Letztendlich geht es bei Gesundheitsorganisationen immer um das Patientenwohl; keine Prozessverbesserung darf passieren, ohne die Qualität und Sicherheit der PatientInnen im Fokus zu haben.
  2. Lean verbessert ganzheitlich. Nur Qualität reicht heute nicht. Bei den Verbesserungen geht es immer auch um die ökonomischen Aspekte sowie die Bedürfnisse der PatientInnen, Angehörigen und Mitarbeitenden.
  3. Lean ist niederschwellig. Man braucht kein Statistik- oder BWL-Studium, um die Grundprinzipien zu verstehen. Einige Lean-Werkzeuge lassen sich sofort umsetzen. 

2. Die Corona-Pandemie vereinnahmt wichtige Ressourcen des Krankenhaus-Managements. Welche Hürden müssen gerade jetzt bei der Einführung von Lean Management beachtet und überwunden werden?

Man muss es realistisch sehen: Wenn das Haus brennt, ist wohl kein guter Zeitpunkt, um das Management von bspw. der Intensivstation zu verändern. Wenn jedoch das Feuer wieder unter Kontrolle gebracht wurde, bietet die Coronakrise eine gute Chance, über die eigenen Fähigkeiten ("Können"), die interne Kultur ("Wollen") und über das bisherige Management ("Dürfen") nachzudenken. Wir wissen aus unserer Forschung: Für jede Veränderung braucht es einen guten Grund – Change-Projekte ohne Druck oder eine klare positive Motivation sind zum Scheitern verurteilt. Manager sollten über die Coronazeit reflektieren: Wie gut waren unsere Managementsysteme während der Krise? Haben wir als eingespieltes Team funktioniert oder haben eher die administrativen Hürden und veralteten Technologien dafür gesorgt, dass wir nicht agil genug auf die Sondersituation reagieren konnten? Wenn eher das Zweite eingetreten ist, hat man schon einen sehr guten Grund, um die eigenen Führungssysteme zu verändern. Das wird ehrlicherweise nicht einfach. Die Finanzen vieler Häuser sind angeschlagen. Und Lean einzuführen ist noch eine zusätzliche Belastung, die zunächst Ressourcen bindet. Hier ist ein langfristiger Blick gefragt: Organisationen müssen heute investieren, damit sie morgen von den Früchten sicherer, einfacherer und günstigerer Arbeitsabläufe profitieren können. 

3. Wie wird die Corona-Krise die zukünftige Nutzung von Lean Management-Prinzipien beeinflussen? 

Es wäre ein Fehler, die Lean-Philosophie mit "Schlank/ohne Reserven" gleichzusetzen. Denn das Hauptanliegen von Lean ist es, Unnötiges zu vermeiden. Wenn ein Arbeitsablauf vorsieht, dass die Ärzteschaft drei verschiedene Formulare ausfüllen muss, die kein Mensch braucht, ist das eine klare Verschwendung menschlicher Ressourcen. Wenn sich in einer Krise kurzfristig die Patientenzahlen verdoppeln, dann ist die Lösung nicht, mehr Personal oder Maschinen einzusetzen, um diese Formularflut zu bewältigen. Die Lösung nach Lean ist, die unnötige Bürokratie abzuschaffen!Was sich nach Corona verändern wird, ist jedoch der Blick auf die Verwendung der eingesparten Ressourcen nach einem Lean-Projekt. Wenn ich dank Lean die gleiche Leistung mit x% weniger Ressourcen erbringen kann, ist die Frage, was mit dem Effizienzgewinn passieren soll. Bei dem bisherigen starken Finanzdruck war die Antwort vor Corona immer die gleiche: Kosten einsparen! Nun müssen sich die Verantwortlichen im Gesundheitssystem überlegen, ob nicht zumindest ein Teil der Effizienzgewinne als Reserve vorgehalten werden sollten. Die nächste Krise kommt bestimmt. Systeme mit einem gewissen Spielraum sind viel besser in der Lage, diese Belastungen auszuhalten. Lean kann also helfen, Reserven für die schweren Zeiten freizuhalten. 

Lean-Exzellenz im OP Management erscheint in Kürze bei der MWV und bietet eine praxisorientierte Anleitung für die Prozessoptimierung mit der Lean Management-Methode im OP-Bereich - mit dem Ziel beste Qualität für den Patienten und reibungslose Abläufe zu kombinieren.

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