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Interview mit Dr. Marina Martini

Wie haben Sie als Unternehmerin/Führungskraft den Beginn der Corona-Krise und des Shutdowns in Ihrem Verantwortungsbereich im März 2020 erlebt?

Wir haben auf Fachebene – vor allem im Bereich Infektiologie und Logistik – schon Ende 2019 angefangen uns mit Corona zu beschäftigen, die Lage zu beobachten und zu bewerten. Die letztendliche Rasanz ab dem 11. März mit dem Shutdown und den Auswirkungen auf unser Unternehmen war zwar nicht überraschend, dennoch schnell und dadurch sehr herausfordernd. Für uns war es in den ersten Tagen und Wochen vor allen Dingen eine Herausforderung im personellen Bereich und weniger im medizinischen Bereich. Wir waren sehr beschäftigt, da es große Veränderungen und Verunsicherung im Bereich Mitarbeiter gab: Quarantäne-Regelungen und vor allem Reisebeschränkungen. Wir sind in drei europäischen Ländern aktiv. Unsere Mitarbeiter sind permanent über Grenzen gereist – So haben wir Mitarbeiter aus Polen, Holland, Dänemark, Frankreich, Schweiz, Österreich, die jeweils pendeln. Alles in allem waren das sehr große und ungewöhnliche Herausforderungen, denen wir uns stellen mussten. Gar nicht mal im medizinischen Bereich, denn trotz guter Vorbereitung hat es länger gedauert, bis wir die ersten COVID-Patienten aufgenommen haben. Später mussten wir dann natürlich auch mit der Herausforderung umgehen, dass wir keine elektiven Patienten aufnehmen durften. Diese Vorgaben mussten dann umgesetzt und auch wirtschaftlich gemanagt werden.


Wie hat die Corona-Krise Ihre internen Abläufe und/oder Ihre Organisation verändert?

Wir haben direkt zu Beginn der Pandemie sehr viele Besprechungen auf Telefonkonferenzen und Videokonferenzen umgestellt. Durch die Zusammenarbeit in einer Gruppenstruktur in den drei genannten Ländern, hatten wir hierfür auch die Voraussetzungen und konnten das daher sehr gut flächendeckend umsetzen. Um bestens vorbereitet zu sein, haben wir sehr schnell eine Krisenorganisationkaskade aufgesetzt: Jeder Standort und jede Region hatte einen Krisenstab. Wir haben dann täglich zu einer festen Zeit alle relevanten Informationen aus den Regionen und aus den wesentlichen zentralen Einheiten im gruppenweiten Krisenstab gebündelt. Dort wurden alle wichtigen Entscheidungen getroffen und alle Richtlinien festgelegt. Diese Entscheidungen wurden dann in der gleichen Kaskade wieder nach unten kommuniziert und umgesetzt.


Wie hat die Corona-Krise Ihre Produkte bzw. Dienstleistungen verändert?

Wir haben im Laufe der Zeit dann vermehrt und auch beschleunigt Videosprechstunden und telefonische Beratungen angeboten. Dieses Angebot bestand zwar sowieso schon, jedoch nicht flächendeckend und dauerhaft. Die Resonanz darauf war positiv – seien es Telefonberatungen zu COVID oder zu anderen Erkrankungen. Das ist sozusagen ein neues „Produkt“, das wir natürlich auch aufrechterhalten und eher noch weiter ausbauen werden.

Man muss natürlich sagen, dass die Bereitschaft derer, die solchen Neuerungen und neuen Produkten im Normalbetrieb eher zurückhaltend entgegenstanden, durch COVID deutlich gestiegen ist. Das hat uns positiv zugespielt, da wir so in der Lage waren, Neuerungen und Digitalisierungsthemen jetzt einfach schneller auf den Weg zu bringen. Viele Mitarbeitende haben zudem auch im privaten Umfeld gesehen haben, dass neue Kommunikationswege funktionieren - warum also sollte das nicht auch mit Patienten funktionieren?


Von wem und in welchem Kreis in Ihrem Unternehmen/Verantwortungsbereich wurden die wesentlichen Maßnahmen/Weichenstellungen für die Veränderungen eingeleitet?

Der Krisenstab wurde aus dem Vorstand initiiert und von mir als Vorstandsmitglied geleitet. Neben dem Vorstand waren sowohl unsere Regionalgeschäftsführer als auch aus den zentralen Bereichen die wesentlichen und wichtigsten Personengruppen abgebildet: Einkauf, Hygiene, IT, Personal und Kommunikation, um nur einige zu nennen.

Genau das war und das ist auch eigentlich die Definition einer Krise bezogen auf Unternehmen: Eine Situation, die alle Bereiche – regional aber auch bezogen auf die Organisation – betroffen hat. Es gab keinen Bereich bei uns, der von den Auswirkungen verschont blieb. Und das nicht nur, weil Mitarbeiter sich in Quarantäne befanden oder krank waren, sondern weil die Pandemie sich vielfältig auf das originäre Geschäft ausgewirkt hat. Das ging hin bis zu den Küchen, in denen in den ersten Wochen aufgrund der Hamsterkäufe in der Bevölkerung gewisse Produkte nicht mehr geliefert werden konnten.

Ich denke, dieser Aspekt geht manchmal etwas verloren. Viele denken ja, dass sich ein Krankenhaus allein mit der Patientenbehandlung beschäftigt. Aber es ist viel mehr als das: Es braucht einige sekundäre und tertiäre Bereiche, um die Patienten zu versorgen, um putzen zu können, um Wäsche zu machen. Nahezu jeder Bereich war betroffen, nicht nur die Mitarbeiter selbst, sondern jeder Prozess im Krankenhaus.


Welche der getroffenen oder eingeleiteten Maßnahmen (Organisation, Prozesse, Produkte, Dienstleistungen) werden in Ihrem Unternehmen/Verantwortungsbereich auf jeden Fall auf Dauer beibehalten bleiben?

Wir haben natürlich gesehen, dass man in einer Krise anders entscheiden muss. Dass man manchmal Entscheidungen eilig treffen muss, ohne alle Informationen zu haben. Wir werden uns nun sehr detailliert anschauen und analysieren, wie man im Regelbetrieb Entscheidung-, Kommunikations- und Abstimmungsprozesse noch effizienter und schlanker gestalten kann. Dass das funktioniert, hat uns die Krise gezeigt.

Wir haben in den unterschiedlichen Ebenen viele neue Kommunikationsgefäße eröffnet, um alle Mitarbeitenden zeitnah über Unternehmensentscheidungen zu updaten und mit aktuellen Informationen versorgen zu können. Wir werden sehen, welche dieser Kommunikationsgefäße und Maßnahmen wir jetzt auch in der neuen Normalität im Regelbetrieb aufrechterhalten wollen.

Die Sitzungskultur hat sich ebenfalls verändert. Klar, es fehlte natürlich das Zwischenmenschliche. Auf der anderen Seite verlaufen Meetings nun in den Videokonferenzen viel fokussierter und spezialisierter auf die Themen angepasst. Wir müssen deshalb sehen, wie wir ein gesundes Zwischenmaß finden. In Zukunft wollen wir uns aber alle auch wieder persönlich sehen. Zuletzt hatten wir im Unternehmen ein erstes größeres Präsenzmeeting. Das Wiedersehen und der Austausch zwischen den Vorträgen war sehr schön und hat allen gut getan.

Wir müssen also aus beiden Formen das Beste mitnehmen.


In einem Satz: Was bedeutet für Sie "die neue Normalität"?

Wir sollten keinesfalls zurück zum „Vorher“, sondern so viele positive Lehren und Entwicklungen aus der Zeit mitnehmen und umsetzen, wie möglich.


Bildquelle: AMEOS


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