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3 Fragen an...

Dr. med. Markus Leyck Dieken ist seit dem 1. Juli 2019 Alleingeschäftsführer der gematik. Er ist von Hause aus Internist und Notfallmediziner. Leyck Dieken promovierte 2001 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg in Endokrinologie. Seine siebenjährige klinische Erfahrung umfasst stationäre und ambulante Tätigkeiten in Deutschland und Brasilien.


1. Wie haben Sie das Jahr 2021, seit Einführung der elektronischen Patientenakte, erlebt und wie blicken Sie auf das Gesundheitswesen im Jahr 2022?

Die Entwicklung digitaler Anwendungen darf nicht wie in der Vergangenheit durch Ingenieure und Techniker erfolgen, sondern muss zwingend gemeinsam mit den wirklichen Nutzern geschehen. Im Portfolio der gematik gibt es aufgrund der langen Entwicklungszeiten in IT dafür derzeit zwei Beispiele: das E-Rezept und den TI-Messenger. Das E-Rezept wird letztlich in guter Nutzbarkeit bei den Ärzten eingeführt werden – da wird die Stimmung schon im Sommer deutlich positiver sein. Die App wurde gar mit 400 Patienten aller Altersgruppen gemeinsam entwickelt. Und beim TI-Messenger haben wir gar nicht erst so getan, als gelte es im Theorieraum einen Messenger völlig vom Start zu konzipieren, sondern haben ein hochsicheres IT-Protokoll in der EU identifiziert und Open Source publiziert. So wird nun die Industrie für ihre jeweilige Zielgruppe mannigfaltig Messenger-Dienste ohne komplizierte Lastenhefte anbieten, die alle miteinander kommunizieren können.

Zudem ist wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger darauf vertrauen können, dass ihre Daten unter ihrer Kontrolle bleiben. Dafür steht die gematik letztlich ein. Die elektronische Patientenakte bietet hierbei die perfekte Grundlage.

Die Versicherten entscheiden selbst, wem sie welchen Zugriff gewähren möchten, und die elektronische Patientenakte macht die vernetzte Gesundheitsversorgung möglich. Ich freue mich daher zu sehen, dass die elektronische Patientenakte auf dem Vormarsch ist: ihre Bekanntheit wächst, und jede dritte Arztpraxis hat die dafür notwendige Software bereits installiert. Ich bin optimistisch, dass sich diese Entwicklung auch in diesem Jahr fortsetzen wird, auch deshalb, weil die Funktionen weiterwachsen werden: Beispielsweise können Versicherte ab 2022 auch Dokumente wie Impf- und Mutterpass, Zahnbonus- und Kinderuntersuchungsheft in ihrer Akte digital hinterlegen lassen.

2. Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens in manchen Punkten hinterher – ist das wirklich so und denken Sie, dass Deutschland in der Zukunft als Vorreiter der digitalen Medizin gelten kann? Welche Schritte sind dafür jetzt am wichtigsten?

Sprechen wir von der Digitalisierung unseres Gesundheitswesens, denken wir zumeist nur an neuartige technische Möglichkeiten. Aber die Veränderungen sind viel elementarer. Es geht um die digitale Transformation unseres gesamten Gesundheitswesens. Das inkludiert Menschen, Prozesse und Technik gleichermaßen. Diese tiefgreifenden Veränderungen gelingen nur, wenn wir eine Interoperabilität zwischen allen IT-Systemen in unserem Gesundheitswesen schaffen.

Alle Systeme müssen miteinander kompatibel sein. Nur dann kommen wir weg von kleinen Insellösungen hin zu einheitlichen Standards, von denen alle gemeinsam profitierten.

Wir stecken immer noch mittendrin in einer Pandemie, die das gesamte Gesundheitswesen an seine Grenzen bringt. Und in eben dieser Zeit haben wir bewiesen, welch ungeheures Potenzial in der Digitalisierung steckt. Denken Sie nur ein paar Monate zurück: Per Fax wurden positive SARS-CoV2-Befunde an die Gesundheitsämter geschickt. Es dauerte durchschnittlich sieben Tage, bis sie von dort endlich zum Robert Koch-Institut gelangten. Dank des neuen Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystems für den Infektionsschutz (DEMIS),an dem wir gemeinsam mit Partnern beteiligt sind, ist die Meldung heute digital innerhalb nur eines Tages möglich! Das hilft, Infektionsketten schneller zu unterbrechen und kann Leben retten.

Hier sieht man exemplarisch: Die Zettelwirtschaft verschwindet endlich und macht einem modernen, vernetzten und sicheren Kommunikationsraum Platz: derTelematikinfrastruktur. Damit das funktioniert, muss die Digitalisierung zu einem Gemeinschaftsprojekt werden.

2021 haben wir die Rolle der nationalen Koordinierungsstelle für Interoperabilität übernommen. Wir bringen die interdisziplinäre Expertise an einem runden Tisch zusammen, damit wir gemeinsam aufeinander abgestimmte, einheitliche Lösungen entwickeln, von denen alle profitieren. Das ist unser klares Ziel für 2022.

3. Sei es ePA, eRezept oder KIM – hinter all diesen Anwendungen für das Gesundheitssystem steht die Telematikinfrastruktur. Welche Weiterentwicklungsschritte sind für die TI geplant und wie wird das unser Gesundheitssystem der Zukunft beeinflussen?

Das digitale Gesundheitswesen muss jetzt und in Zukunft einfacher und sicher sein und somit auch die Telematikinfrastruktur (TI), die technische Infrastruktur für das Gesundheitswesen. Daher hat die Gesellschafterversammlung der gematik 2021 die Modernisierung der TI beschlossen. Die Umsetzung ist ein komplexes, mehrjähriges Vorhaben mit einem zeitlichen Horizont bis Ende 2025.

Ohne eine moderne Technik auf internationalen Standards werden wir den Anforderungen der Nutzer und der medizinischen Versorgung und der Forschung nicht gerecht werden können.

Ziel des Vorhabens „TI 2.0" ist es, diese Kernanforderungen effizienter und flexibler als bisher zu erfüllen, indem sie sich den technologischen Fortschritt zunutze macht. Sie zielt insbesondere auf eine Verringerung der Komplexität für alle Beteiligten und eine Erhöhung der betrieblichen Stabilität.

Gleichzeitig wird mit der Einführung eines neuen übergreifenden Standards für die Systemschnittstellen die Erschließung neuer Nutzenpotentiale befördert. Wir gehen in der gematik dabei technisch moderne Wege, denn die Sicherheitsarchitektur der zukünftigen TI 2.0 wird auf den Prinzipien des sogenannten „Zero Trust"-Ansatzes beruhen und somit die gesamte Bandbreite der Möglichkeiten einer Ende-zu-Ende-Absicherung nutzen.

Das Ziel der TI-Anwendungen ist es, die Qualität der Versorgung zu unterstützen, die Effizienz von Versorgungs- und Verwaltungsprozessen zu steigern und die Souveränität der Bürgerinnen und Bürger bzw. Patientinnen und Patienten zu stärken.

Das Buch Nationale Arena für digitale Medizin (herausgegeben von Markus Leyck Dieken) befasst sich mit dem Thema Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland und beschreibt ganz konkret, wohin sich das digitale Gesundheitswesen in den kommenden Jahren entwickeln wird.


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