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Erfolgreiche Franchises - Gut getarnt

1 Einstieg ins Franchise

1.1 Erfolgreiche Franchises – gut getarnt

Von außen ist oft kaum ersichtlich, wer die Inhaberin eines Geschäfts ist. Insbesondere nicht, wenn es sich um Ketten einer Marke handelt. Ist es ein Geschäft, das von einem angestellten Filialleiter geführt wird und das, wie alle anderen Standorte derselben Kette, einem einzigen Unternehmen gehört? Beispiel: Fielmann. Oder wird das Geschäft von einer selbstständigen Unternehmerin geführt, die im Rahmen einer Franchisepartnerschaft das Recht von einer Franchisegeberin erworben hat, das Geschäftskonzept und die Marke zu nutzen? So, wie ihre Franchisepartner-Kollegen dies auch getan haben und deshalb wirken die Läden nach außen alle einheitlich? Beispiel: Apollo-Optik.

Den Kunden ist dieser Unterschied meist egal. Dem Handelsregister oder den Industrie- und Handelskammern (IHK) auch: Sie führen in ihren Verzeichnissen ausschließlich die korrekten Firmenbezeichnungen – und bei Firmen von Franchisepartnern kommt der von ihnen genutzte Markenname darin meist gar nicht vor. Da heißt es dann nur „Müller Systemgastronomie GmbH“. Dass sich dahinter ein von einem Franchisepartner geführter Betrieb verbirgt, der nach außen unter der Marke McDonald’s oder Dean & David auftritt, ist nicht erkennbar.

Dies sind einige der Gründe, warum Franchise hierzulande in der Öffentlichkeit als erfolgreiches Konzept für das Gründen und Betreiben von Unternehmen immer noch wenig bekannt ist. Dabei starteten die ersten Franchisesysteme wie z.B. Kieser Training im deutschsprachigen Raum schon Ende der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Inzwischen gibt es hier Hunderte von Franchisesystemen. Sehr viele davon sind uns Franchise Machern gut bekannt, aber selbst wir kennen sie nicht alle. Deshalb ertappen auch wir uns noch manchmal bei diesem „Ach, das ist auch ein Franchise?!“-Effekt. Das ist der Moment, wenn du erfährst, dass eine dir längst bekannte Marke als Franchisesystem organisiert ist.

Probieren wir es gleich mal aus: Fressnapf, Backwerk, Elithera, Lucky Car, clever fit, fitbox, Bodystreet, Das Futterhaus, Mrs. Sporty, Mail Boxes Etc., Jack Wolfskin, Easylife, Subway, OBI, Kochlöffel, Sonderpreis Baumarkt, Falc Immobilien, Von Poll Immobilien, Flohkids, Meerida Salz- und Spielraum, Schülerhilfe, Studienkreis. 

Na, hattest du bei dem ein oder anderen Namen den Gedanken „Ach, das ist ein Franchise?!“ Falls nicht, könnte es daran liegen, dass du schon gut informiert bist. Zweiter Versuch mit Marken, die im Straßenbild weniger auffällig sind. Vielleicht hast du dennoch schon mal die Werbung auf ihren Autos gesehen: Town & Country, enerix, Exklusiv Wohnbau, Medical Care Personalservice, snap-on-tools, Pirtek, bazuba, isotec, Die Steinreiniger. 

„Mein Ziel war es, dass alle meine Franchisepartner Millionäre werden – und dieses Ziel habe ich erreicht.“ (Manfred Maus, Gründer von OBI) 

Hinter den oben genannten und allen anderen Franchisemarken stehen jeweils Dutzende, Hunderte Unternehmerinnen und Unternehmer, denen die Standorte vor Ort gehören und die sie betreiben. Dort lebt Unternehmertum pur, dort pulsiert der Geist des Mittelstandes. Dort befindet sich der Antrieb des Organisationsmodells Franchise. Und das ist keinesfalls auf Deutschlandbeschränkt: Franchise hat eine internationale DNA. Viele Franchisemarkensind auf vielen Kontinenten und in zig Ländern vertreten. Noch viele mehr sind „nur“ in ihrem Land oder ihrer Länderregion präsent. Franchise-Unternehmer, die ihr Geschäft vor Ort in ihrer Stadt, in ihrem Stadtteil oder in ihrer Region betreiben, finden wir deshalb weltweit auf Schritt und Tritt.

Hinter den Franchisemarken stehen die Franchisegeber, die das Franchisesystem ins Leben riefen. Die meisten von ihnen sind in der Öffentlichkeit nicht bekannt, sei es, weil sie häufig keine glamourösen Persönlichkeitstypen sind, die Wert auf eine Homestory in der BUNTEN legen, sei es, dass sie dem Franchisegedanken folgend, ihrer Marke den Vortritt in der Öffentlichkeit lassen und damit die Bedeutung ihrer Franchisepartner hervorheben. Manche haben auch durch den Aufbau und den anschließenden Verkauf ihres Systems Millionen erwirtschaftet und sich danach ins Private zurückgezogen. Vielleicht sind die Franchisegeberinnen auch deshalb gut getarnt unterwegs, weil sie sich (wie viele andere Unternehmer auch) damit schwertun, Bücher über ihre Erfahrungen zu schreiben.

Einige teilweise bekannte Unternehmer seien hier beispielhaft und ohne Priorisierung genannt: Alfred Enzensberger von clever fit, der OBI Gründer Manfred Maus, der inzwischen verstorbene Werner Kieser von Kieser Training, die Town & Country-Gründer Gabriele und Jürgen Dawo, Emma und Matthias Lehner von Bodystreet, der zum Milliardär gewordene Torsten Toeller von Fressnapf, Stefan Tewes von Coffee Fellows, Mark Twiehoff von immergrün, synaxon Gründer Frank Roebers. Diese Kombination ist für das Organisationsmodell Franchise kennzeichnend und macht es einzigartig:

■ hohe Eigenverantwortung und Motivation der Unternehmer vor Ort(beides typisch für den Mittelstand und für Small Business)

■ die öffentliche Wahrnehmung des Unternehmens als Großunternehmen oder Konzern 

Diesen Zusammenhang bringt McDonald’s auf den Punkt, wenn es von sich sagt: „Wir sind das größte Kleinunternehmen der Welt.

Die Tatsache, dass ein Franchisesystem eine Organisation ist, die aus vielen einzelnen Unternehmen besteht, ist für das Verständnis von Franchise fundamental. Möchtest du ein Franchisesystem aufbauen und langfristig zum Erfolg führen, solltest du die daraus resultierenden Besonderheiten unbedingt kennenlernen und beherzigen. Mit diesem Buch möchten wir dich dabei unterstützen. 

Wusstest du …, dass viele Franchisepartner mehrere Standorte betreiben?

Durchschnittlich führt ein McDonald’s Partner 4–5 Restaurants, viele betreiben sogar 10, 12 oder 20. Der größte McDonald’s Partner in Deutschland ist Michael E. Heinritzi. Er unterhält 50 Standorte, überwiegend in Bayern, und hatte sich im Alter von 19 Jahren als einer der ersten Partner McDonald’s in Deutschland angeschlossen. Auch in vielen anderen Franchisesystemen betreiben Franchisepartner 2, 3 oder deutlich mehr Standorte. Auf den ersten Blick weiß man also nicht, ob eine Franchisepartnerin eine Unternehmerin mit nur wenigen Mitarbeitenden ist oder eine gestandene Mittelständlerin mit deutlich mehr als 1.000 Mitarbeitenden. Betreibt ein Partner mehrere Standorte, nennt man ihn „Multi-Unit-Partner“.


1.2 Woher kommt Franchise und was sind die Besonderheiten?

Der Begriff „Franchise“ stammt aus dem Französischen und wurde seit dem Mittelalter für die Vergabe besonderer Privilegien und Rechte verwendet – beispielsweise die Befreiung von Zöllen und Steuern, die Nutzung von Ackerflächen oder das Recht, Märkte und Messen zu veranstalten. Von Frankreich ausgehend verbreitete sich das Konzept im 18. und 19. Jahrhundert in weitere Länder und entwickelte sich zum heutigen Geschäftsmodell.

In der modernen Verwendung bezeichnet der Begriff auch Lizenzrechte in anderen Bereichen: In der Unterhaltungsindustrie werden Film- und Serienreihen als „Franchises“ bezeichnet, da hier ähnliche Lizenzierungsprinzipien wie beim kommerziellen Franchising zur Anwendung kommen. Auch bei Sportteams wird der Begriff für kommerzielle Beteiligungen genutzt. Versicherungen bezeichnen zuweilen eine Selbstbeteiligung als Franchise. Franchise bezieht sich also stets auf Beteiligungen und Rechte im Zusammenhang mit geschäftlichen Vorgängen. 

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts etablierte sich der Begriff „Franchise“ in den USA für die Erlaubnis zur kommerziellen Nutzung von Geschäftskonzepten. Auf diese Form des Franchise beziehen wir uns in diesem Buch. Die erste bekannte Franchise-Kette war Singer Sewing Machines, die 1851 von Isaac Singer gegründet wurde. Singer nutzte das Franchising-Modell, um seine Nähmaschinendurch ein Netzwerk von Vertragshändlern in ganz Amerika zu vertreiben. Ein weiterer bedeutender Meilenstein war die Gründung von A & W Root Beer durch Roy W. Allen im Jahr 1921. Diese Marke trug maßgeblich dazu bei, das Konzept des Franchisings im Gastronomiebereich zu etablieren. 

Diese frühen Pioniere legten den Grundstein für die moderne Franchise-Landschaft, indem sie systematische Methoden entwickelten, um Marken im großen Stil zu verbreiten. (Kleine Anekdote am Rande: Ein gewisser John Marriott sicherte sich im Alter von 27 Jahren die A & W Root Beer-Franchise-Rechte für den Großraum Washington D.C. und zwei weitere Standorte. Auf dieser Basis baute er bis zu seinem Tod im Jahr 1985 1.400 Restaurants und 143 Hotels auf.)

Die heutige Form des Franchisings fand ihren Ursprung 1955 in den USA mit dem wohl heute allen bekannten Franchisesystem McDonald’s. Der ehemals als Milchmixgeräte-Vertreter tätige Ray Kroc entdeckte das Fast-Food-Restaurant der Brüder McDonald, sah in ihrem Speedy-System zur schnellen Zubereitung von Burgern ein riesiges Expansionspotenzial, machte sich an die Arbeit und legte mit der Hamburger Kette den Grundstein zu einem der weltweit erfolgreichsten Franchisesysteme. Tausende Existenzgründer haben sich seitdem mit Hilfe von Ray Krocs Geschäftskonzept selbstständig gemacht.

Die Expansion von McDonald’s hat weltweit eine pionierhaft-inspirierende Wirkung auf den allgemeinen Erfolgsdurchbruch des Franchisings. Es ist heute kaum möglich, über Franchise zu sprechen, ohne McDonald’s zu erwähnen.

Nach wie vor liegen übrigens die USA mit mehr als 5.000 Franchisesystemen an der Spitze im weltweiten Vergleich.


1.2.1 Franchise in Deutschland

In Deutschland und überhaupt in Europa entwickelte sich das Franchise-Modell über 100 Jahre später. Anders als in den USA, wo einer breiten Öffentlichkeit Franchisesysteme als solche bekannt sind, ist das Franchise-Modell in Deutschland meistens nur an Wirtschaft interessierten Menschen geläufig.

Zwar sind die Marken vieler Franchisesysteme fester Bestandteil unserer Stadtbilder, doch ihre Zugehörigkeit zu eben diesen Franchisesystemen bleibt vielen oft verborgen. Dabei drückt sich die Vielfalt der Franchise-Angebote in Deutschland in zahlreichen Branchen aus: Gastronomie, Handwerk, Fitness, Beauty, Seniorendienste, Storage, Kinderbetreuung, Dienstleistungen aller Art, Handel und vieles mehr. Das Ergebnis ist ein Netz von geschätzt weit über 150.000 Franchise-Betrieben in ganz Deutschland, die einen wichtigen Teil unserer mittelständischen Wirtschaft bilden. Dazu ein kleines Gedankenexperiment: Stell’ dir vor, ab morgen würden alle von Franchisepartnern geführten Betriebe für einen Monat geschlossen bleiben – die Auswirkungen wären wohl beträchtlich.

Die ersten Franchisesysteme im deutschsprachigen Raum entstanden Mitte der 1960er-Jahre: Wimpy, Nordsee, die Drogeriekette Ihr Platz (viel später gekauft durch Schlecker und mit Schlecker endgültig untergegangen), Kieser Training, Quick Schuh und OBI. McDonald’s startete 1971 in Deutschland, vermutlich als erstes System aus Übersee. Mitte der 70er Jahre starteten dann zum Beispiel Jacques’ Weindepot, Schülerhilfe und Studienkreis.

Mittlerweile sind Hunderte von Franchisesystemen in Deutschland, Österreich und der Schweiz aktiv. So ganz genau kennt aufgrund der fehlenden Datenbasis leider niemand ihre Anzahl. Es gibt auch viele Systeme, die sich nicht dauerhaft etablieren und nach erster Furore wieder vom Markt verschwinden. Das schädigt die Franchise-Wirtschaft insgesamt und vor allem geschieht es meistens zum Leidwesen der Franchisepartnerinnen und Franchisepartner, die sich diesen Systemen zunächst anvertraut haben.

Ein Franchisesystem hat keine Rechtspersönlichkeit 

Ein Franchisesystem ist ein Organisationsmodell, das keine Rechtspersönlichkeit hat und keine Gesellschaftsform wie z.B. eine GmbH. Die einzelnen Unternehmen der Franchisepartnerinnen haben natürlich eine Rechtsform, z.B. als inhabergeführtes Einzelunternehmen oder als Kapitalgesellschaft. Mit dem Unternehmen der Franchisegeberin sind die Franchisepartner lediglich durch einen Franchisevertrag verbunden.


1.2.2 Gesetzlicher Rahmen oder wilder Westen?

Die unterschiedliche Entwicklung, Wahrnehmung und Situation der Franchise-Wirtschaft in den USA im Vergleich zu Deutschland ist zum Teil auch einem Umstand geschuldet, der leider nur wenig zur Sprache kommt – der für dich als potenziellem neuen Franchisegeber aber wichtig ist.

In den USA bewegt sich das Franchising in einem gesetzlich verankerten Rahmen. Es gibt spezifische Franchise-Gesetze, wie zum Beispiel die Federal Trade Commission (FTC) Franchise Rule, die seit 1979 in Kraft ist. Dieses Gesetz schreibt vor, dass Franchisegeber ein umfassendes Offenlegungsdokument (Franchise Disclosure Document, FDD) zur Verfügung stellen müssen, das potenziellen Franchisepartnern detaillierte Informationen über das Franchisesystem bietet. Die klaren gesetzlichen Vorgaben, die viele Aspekte des Franchise-Geschäfts in den USA regeln, führen zu einer standardisierten und rechtlich von vornherein unmissverständlichen Vorgehensweise.

Ein eigenes Franchiserecht gibt es im deutschsprachigen Raum nicht. Bislang gab es dafür aus der Franchise-Wirtschaft auch nicht genügend Fürsprecher. Deshalb existiert auch kein Franchiseregister in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern. Das ist z.B. in den USA anders: Dort sind Franchisegeber verpflichtet, umfassende Informationen über ihre Systementwicklung in einem öffentlich zugänglichen Register zu veröffentlichen. Dies geschieht mit den sogenannten Franchise Disclosure Documents. Das sind Schriftstücke von oft mehreren hundert Seiten, die detailliert auflisten, welche Franchisenehmer zu welchem Zeitpunkt ins System gekommen sind und, falls sie austreten, der Grund, warum sie es wieder verlassen haben.

Das führt in den USA zu einer umfassenden Datenlage, die uns als Knowhow-Quelle in Deutschland fehlt. So können wir in Deutschland beispielsweise nicht sagen, wie viele neue Franchisepartner alle Systeme insgesamt in einembestimmten Zeitabschnitt gewonnen haben, wie viele Partner ihr Franchisesystem wieder verlassen haben, wie viele Franchisepartnerinnen mehr als einen Standort betreiben, wie viele einst gegründete Franchisesysteme wieder vom Markt verschwunden sind usw.


Rechtliche Grundlagen und die Rolle der Anwälte

Da es in Deutschland kein Franchise-Gesetz gibt, kommt Gerichtsentscheidungen und den vertraglichen Regelungen im Franchisevertrag (die Hauptgrundlage für die rechtliche Beziehung zwischen Franchisenehmer und -geber) eine besondere Bedeutung zu. Diese unterliegen vor allem den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sowie anderen relevanten Gesetzen wie dem Handelsgesetzbuch (HGB).

Mit Beginn des Franchisings in Deutschland spezialisierten sich erste Anwälte auf dieses Gebiet und formten unter Vorlage von Franchiseverträgen aus den USA und unter Berücksichtigung des deutschen Rechtsrahmens erstmals eine gewisse Rechtssicherheit, die im Laufe der Jahre u.a. durch Gerichtsentscheidungen Schritt für Schritt erhöht wurde. Diese Entwicklung erklärt, warum Rechtsanwälte das Franchising in Deutschland bis heute stark prägen.

Erst wenn wir das Konzept mit unseren Kunden erarbeitet haben, beginnt ein Anwalt mit der Erstellung des Franchisevertrags. Natürlich auf Basis des Konzepts und in enger Abstimmung mit dem Kunden und uns. 

Die historische Bedeutung der auf Franchise spezialisierten Anwälte zeigt sich bis heute auch konkret: Da eine Unternehmerin, die ein Franchisesystemgründen möchte, einen Franchisevertrag benötigt, kommt sie ohne Anwalt nicht weiter, der den Vertrag für sie erstellt. Fälschlicherweise ziehen manche angehenden Franchisegeber daraus den Schluss, dass sie außer dem Vorliegen eines Franchisevertrags keine weiteren Bedingungen für den Aufbau ihres Systems erfüllen müssen. Aber was hilft der beste Franchisevertrag, wenn das zugrundeliegende Franchisekonzept Murks ist? Deshalb sind wir als Unternehmensberaterklare Verfechter des Prinzips „Der Vertrag folgt dem Konzept“(s. Kap. 5.3).

Schwarze Schafe? 

Schwarze Schafe gibt es in jeder Branche – nicht nur im Franchise. Ihr Anteil ist hier nicht größer als anderswo. Aber warum schaffen es in Deutschland gerade diese Negativbeispiele so häufig in die Medien, während die Erfolge der überwältigenden Mehrheit der Franchises kaum Beachtung finden? Der Grund liegt auf der Hand: Negative Geschichten verkaufen sich für die Medien besser. Ein Artikel oder Fernsehbeitrag wie „XY hat seine Gründer um Millionen geprellt!“ bringt mehr Klicks. Noch besser funktioniert das, wenn das „schwarze Schaf“ eine Marke ist, die jeder kennt. Typisch ist die Erzählung: „Der arme Franchisenehmer hat alles verloren, weil der böse Franchisegeber ihn ausgenutzt hat.“ Dabei ist in der Realität nicht automatisch die Franchisegeberin immer die Böse und die Franchisenehmerin das Opfer. Aber solche „Existenz bedroht“-Geschichten sind beliebt, da sie auf die Tränendrüse drücken. Als Franchiseberater erklären wir angehenden Franchisegeberinnen diese Zusammenhänge. Und wir können noch mehr: Wir unterstützen Franchisegeber dabei, ihre Erfolgsstorys und die ihrer Franchisenehmer über Social Media und andere Kanäle sichtbar zu machen. Ob mit uns oder ohne uns: Liebe Franchisegeber, erzählt die Storys aus euren Systemen authentisch und packend. Je sichtbarer diese Erfolgs-Geschichten in der Öffentlichkeit werden, desto klarer wird, was Franchise wirklich kann.


1.3 Was macht ein Franchise aus?

Ein Franchise ist eine Partnerschaft, bei der du als Franchisegeber einem als selbstständigen Unternehmer agierenden Franchisenehmer dein erprobtes Geschäftskonzept, deine Marke und dein Wissen zur Verfügung stellst. Im Gegenzug setzt der Franchisenehmer dein System vor Ort um – auf eigene Rechnung, aber nach deinen klaren Vorgaben. Dein Ziel als Franchisegeber ist es, eine starke Grundlage zu bieten: ein bewährtes Geschäftsmodell, erstklassige Schulungen und ein wachsendes Netzwerk, das den Erfolg aller Partnervorantreibt.


1.3.1 Abgrenzung zu anderen Skalierungsmöglichkeiten

Vielleicht gehen dir beim Nachdenken über Franchise als Möglichkeit, dein Geschäft zu skalieren, auch noch andere Skalierungsmodelle durch den Kopf? Lass uns gemeinsam anschauen, wie sich das Organisationsmodell Franchise von anderen Möglichkeiten der Geschäftserweiterung unterscheidet.


1.3.2 Abgrenzung zum Filialsystem

Bei einem Filialsystem werden – wie bei einem Franchisesystem – alle Standorte unter derselben Marke betrieben. Der entscheidende Unterschied ist, dass es nur ein einziges Unternehmen gibt, das diese Standorte betreibt. Beispiel: Drogerie Rossmann. Alle Filialen gehören Dirk. Also, genaugenommen gehören sie der Dirk Rossmann GmbH mit Sitz in Burgwedel bei Hannover.


1.3.3 Abgrenzung zum Handelsvertreter

Franchisenehmer arbeiten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Sietreten in direkte Vertragsbeziehung zu ihren Kunden. Sie selbst nehmen das Geld ihrer Kunden in ihrem eigenen Namen entgegen. Das unterscheidet sie wesentlich vom Handelsvertreter. Der ist zwar auch selbstständig, verkauft jedoch „seine“ Produkte oder Dienstleistungen im Auftrag eines Anderen, also in fremden Namen und auf fremde Rechnung. Bekanntes Beispiel hierfür ist der Versicherungsvertreter. Dieser vermittelt Versicherungsverträge zwischen dem Versicherungsnehmer und der Versicherungsgesellschaft, die er vertritt. Er selbst ist nicht der Anbieter der Versicherungspolice; er vermittelt sie. Die Versicherungsnehmer sind die Kunden der Versicherungsgesellschaft. Von dieser erhalten sie auch regelmäßig ihre Beitragsrechnung.


1.3.4 Abgrenzung zu Genossenschaften

Bekannt sind Genossenschaften vor allem dort, wo es um Gemeingüter geht: Landwirtschaft, Energieerzeugung, Geldwirtschaft, Wohnungsbau. Eine Genossenschaft besteht aus mehreren Unternehmen oder Einzelpersonen, die sich zusammenschließen, um gemeinsam wirtschaftliche Vorteile zu erzielen, die sie als Einzelne nicht hätten. Gewissermaßen eine „Gründung auf Initiative vieler“. Dabei bleibt jedes Mitglied zwar unabhängig, die aus dem Zusammenschluss entstehende Genossenschaft erhält jedoch (anders als ein Franchisesystem) eine Rechtspersönlichkeit in Form einer Kapitalgesellschaft.


1.3.5 Abgrenzung zu Lizenzsystemen (Franchise vs. Lizenz)

Lizenzen bieten Unternehmen eine Möglichkeit, ihre Angebotspalette zu erweitern oder ihre Produkte noch besser zu vermarkten. In der Automobilindustrie gibt es zahlreiche Beispiele, in denen der Hersteller und Entwickler eines Automodells anderen Herstellern gestattet, es auf eigene Rechnung selbst zu produzieren und zu vermarkten. Der lizenznehmende Hersteller tritt weiterhin unter seiner eigenen Marke auf, spart sich aber die Entwicklungskosten. Ein anderes Beispiel: Die Firma Ferrero erwirbt Lizenzrechte an den Minions-Figuren, um damit Werbung für den Verkauf von Nutella zu machen. Von Lizenzen spricht man also in Zusammenhängen, die der Förderung eines bestehenden Geschäfts dienen. Das lizenznehmende Unternehmen tritt dabei unverändert unter seiner gewohnten Marke und mit seinen gewohnten Produktmarken auf: Ferrero und Nutella. Es bietet parallel weiterhin lizenzfreie Produkte an (Ferrero Rocher kommt ohne Minions aus) und bleibt auch nach Ablauf der Lizenzrechte am Markt aktiv. Auch Amazon bleibt Amazon, wenn es sich die Rechte an der Vermarktung von Filmserien sichert.

Eine Lizenz wird in dem Augenblick zur Franchiselizenz, in dem ein komplettes Geschäftsmodell inklusiv der dazugehörigen Marke angeboten wird. Die Franchiselizenz ist also die umfassendste aller Lizenzen. Wer sie erwirbt, erweitert oder verstärkt sein Unternehmen nicht um einen Teilaspekt, sondern er gründet auf Basis der Franchiselizenz ein neues Unternehmen und für dieses muss er oder sie auch die mitgelieferte Marke nutzen. So wird der Lizenzgeber zum Franchisegeber und der Lizenznehmer zum Franchisenehmer. Insbesondere aufgrund der gemeinsam genutzten Marke kommt es dann zwangsläufig zu einer starken wechselseitigen Abhängigkeit aller im Franchisesystem involvierten Personen.


1.4 Franchise als ganzheitliches System

Diese Abhängigkeit kann man auch positiv ausdrücken: Franchise ist ein ganzheitliches System, das eine tiefe Verbindung der Franchisenehmenden untereinander und zwischen ihnen und der Franchisegeberin schafft. Denn das Agieren unter einer gemeinsamen Marke ist Fluch und Segen zugleich. Alles Positive stärkt die Marke und kommt dem gesamten Netzwerk zugute. Aber genauso wird alles Negative – sei es ein Fehler oder ein Skandal – automatisch mit der Marke in Verbindung gebracht. Das trifft dann nicht nur den Verursacher, sondern oft auch alle anderen unter derselben Marke agierenden Unternehmerinnen und Unternehmer, die in Mitleidenschaft genommen werden.

Gerade deshalb ist die Zusammenarbeit unabhängiger Unternehmen in einem Franchisesystem wohl so eng wie in keinem anderen Zusammenschluss von Unternehmen. Die Marke ist die sichtbare Klammer, die alles zusammenhält. Hinter den Kulissen, für den Endkunden unsichtbar, lebt das Franchisesystem von Kooperation. Franchisepartnerinnen werden fortwährend geschult und operativ unterstützt. Das führt in der Praxis zu einem konsistenten Marken und Serviceerlebnis für die Kunden und einer gleichbleibend hohen Qualität. So wird allen Beteiligten ermöglicht, mehr zu erreichen, als sie allein geschafft hätten. Die Stärke von Franchise liegt darin, die Vorteile einer großen Organisation mit den Vorteilen der Eigenständigkeit und Motivation der jeweiligen Unternehmer vor Ort zu verbinden.

Vor dem Hintergrund des hier beschriebenen ganzheitlichen Charakters von Franchise wird deutlich, dass eine Definition, die Franchising nur als Vertriebsmodellversteht, zu eng ist. Selbstverständlich geht es letztlich um das Verkaufen von Produkten und Dienstleistungen. Das gelingt nach unserer Erfahrung am besten, wenn der Franchisegeber seine Franchisenehmerinnen nicht nur als Verkäufer, sondern in all ihren Facetten als Unternehmer begreift. Für dich als Franchisegeberin gehört zwar das Ausbilden von Verkäufern dazu, aber in erster Linie bist du eine „Unternehmermacherin“. 


Ein Franchise ist ein Produkt

Wenn jemand als Franchisenehmerin in die Selbstständigkeit startet, sagen wir gern, er oder sie „kauft ein Franchise“. Denn das klingt für uns konkreter und nach einem anfassbaren Produkt.

Mit dieser Assoziation möchten wir Franchisegebern (und denen, die es werden möchten) verdeutlichen, dass sie ein komplettes Geschäftsmodellverkaufen und dieses, analog zu einem physischen Produkt, vor der Auslieferung konzipieren und fertigen müssen.

Zu dem Produkt „Franchise“ gehört nicht nur das, was die Franchisenehmerverkaufen sollen, sondern dass du sie während des gesamten Lizenzzyklus begleitest: von Finanzierung, Standortsuche, Einarbeitung bis zur Nachfolgeregelung. Das alles ist das, was Franchisenehmer von dir als Franchisegeberkaufen. Das ist das Produkt Franchise!

Für dich als angehende Franchisegeberin ist das mit einem mächtigen Mindset-Shift verbunden. Angenommen, du verkaufst sehr erfolgreich Burger (oder Badsanierungen oder Trainings für gesunde Ernährung oder, oder, oder). Auf Basis dieses Geschäftsmodells möchtest du nun ein Franchisesystem entwickeln. Dann solltest du keine Burger mehr verkaufen. Als Franchisegeberin ist das nicht deine Aufgabe! Deine Aufgabe ist es ab jetzt, Menschen zu finden und zu begleiten, die ein Burgerrestaurant eröffnen und Burger verkaufen möchten.


1.5 Vorurteile gegenüber Franchising

Nach unserer Einschätzung existiert in den Ländern ein positives Image von Franchising, in denen Unternehmertum und Eigenverantwortung grundsätzlich einen hohen Stellenwert genießen, z.B. in den USA oder in Polen. In Deutschland sind Unternehmerinnen und Unternehmer nicht die beliebteste Spezies, insbesondere dann nicht, wenn sie erfolgreich sind, es vielleicht sogar geschafft haben, finanziell unabhängig zu werden und dies auch zum Ausdruckbringen. Irgendwie schwingt dann in der Öffentlichkeit immer noch so etwas mit wie „Das ist doch nicht mit rechten Dingen zugegangen“ oder „Die haben den anderen bestimmt das Geld abgeknöpft“.

Mit Blick auf Franchise wird diese Haltung nicht besser. Schließlich ist ein Franchisesystem ein Netzwerk aus selbstständigen Unternehmern und Unternehmerinnen. Obwohl dies so ist, eignet sich das Franchisegeber-Franchisenehmer-Verhältnis wunderbar für ein einfaches Täter-Opfer-Schema. Der Franchisegeber ist der Täter und der Franchisenehmer – obwohl Unternehmer– das Opfer. Ähnlich wie Arbeitgeber zunächst oft als Täter und Arbeitnehmer als Opfer angesehen werden.

Allerdings müssen wir zugeben, dass es hin und wieder Unternehmer gibt, die als Franchisegeber nur schnelles Geld verdienen wollen. Erstaunlicherweise finden solche ‚Glücksritter‘ anfangs durchaus Franchisenehmer – Menschen, die sich offenbar vom schönen Schein blenden lassen und ihre Entscheidung nicht gründlich prüfen. (Am Rande sei bemerkt, dass es leider auch unter Franchiseberatern „Kollegen“ gibt, die sich eher auf der windigen Seite des Geschäfts bewegen.)

Aus all diesen Gründen begegnen uns in Social-Media-Kommentaren und auch „im echten Leben“ leider immer noch die ewig gleichen Vorurteile gegenüber Franchise:

■ „Franchisepartner werden abgezockt“

■ „Franchisepartner sind gar keine richtigen Unternehmer“

■ „Franchisepartner sind Unternehmer zweiter Klasse“ oder „… sind bessere Angestellte“

■ „Mit Franchise kann man kein Geld verdienen“

■ „Du baust dir keinen Unternehmenswert auf – du kannst dein Unternehmen nicht verkaufen“

Das in regelmäßigen Intervallen immer wieder hören und lesen zu müssen, tut uns fast schon körperlich weh, weil wir die andere (und weitaus größere und bessere) Seite der Medaille kennen. Täglich unterhalten wir uns mit zahlreichen erfolgreichen Unternehmern, die mit ihrem Franchisesystem rasant gewachsen sind, und mit sehr zufriedenen Franchisepartnern, die aus Überzeugung einen Standort oder mehrere aufgebaut haben, teilweise sogar für verschiedene Systeme. Sie wollten sich einfach selbstständig machen, eine neue berufliche Herausforderung wagen, mit kalkulierbarem Risiko ein Unternehmengründen. Mit den damit verknüpften Vor- und Nachteilen – aber ohne Opferdenken.

Aus unserer eigenen Praxis können wir sagen, dass (abgesehen von einigen schwarzen Schafen) für die große Mehrheit aller Franchisegeber gilt: Sie sind überzeugt, ein sinnvolles und ertragreiches Geschäftsmodell zu betreiben und geben mit ihrem Team wirklich alles, damit ihre Franchisepartner erfolgreich werden. Die meisten Franchisegeber sind bodenständige Visionäre. Sie haben als Unternehmer oft klein angefangen, denken aber groß und über den „Tellerrand“ hinaus. Schließlich soll ihr System ja national oder vielleicht sogar international erfolgreich von Partnern vor Ort umgesetzt werden.

 Alle Unternehmerinnen, die wir beim Aufbau ihres Franchisesystem begleiten, machen das freiwillig. Sie haben schon ein funktionierendes Geschäft. Sie haben ihr finanzielles Auskommen. Sie müssten kein Franchise gründen. Manche könnten sich auch einfach zur Ruhe setzen. Machen sie aber nicht, denn sie haben Freude an der Herausforderung, daran, etwas noch Größeres aufzubauen. Sie haben Freude an eigener unternehmerischer und persönlicher Entwicklung – und der ihrer Franchisepartnerinnen.

 Für uns ist es immer etwas Besonderes, nach einer Phase gründlicher Vorbereitung miterleben zu dürfen, wie ein Franchisesystem anfängt zu „fliegen“, wie Partner um Partner dazu gewonnen wird und jeder von ihnen die Wachstumsdynamikweiter vorantreibt. Wenn man solche Systementwicklungen und Starts in die Selbstständigkeit aus erster Reihe und hautnah miterlebt, ist das großes Gründungs-Kino. Keine Spur von „Unternehmer zweiter Klasse“oder „Franchisepartner werden abgezockt.“


1.6 Welche Unternehmertypen bauen ein Franchisesystem auf – und warum? 

Für dich als jemanden, der überlegt, selbst Franchisegeberin zu werden ist die wichtigste Botschaft aus diesem Kapitel: Es geht keinesfalls darum, Menschen zu finden, die als deine Franchisepartner einfach nur dein Produkt oder den von dir entwickelten Service verkaufen, sondern es geht darum, Menschen zu finden und zu befähigen, ein erfolgreiches Unternehmen unter deiner Marke zu gründen. Durch deine Unterstützung und den Verkauf deiner Produkte oder Dienstleistungen ermöglichst du ihnen, eine eigene unternehmerische Existenz aufzubauen.

Wir betonen das hier so deutlich, weil wir einige Franchisegeber erlebt haben und leider immer noch erleben, die eine viel zu enge Sichtweise auf ihre Rolle als Franchisegeber haben und sich manchmal geradezu weigern, ganzheitlich zu denken. (Insbesondere, wenn sie selbst auch Produzenten des über ihr Franchisesystem vertriebenen Produkts sind.) Sie fallen dadurch immer wieder in ein Muster zurück, in dem sie ihre Partner eben nicht als Partner sehen, sondern eher als Objekte zur Erfüllung ihrer Vertriebsziele.

 Daher kommt es auch, dass man immer wieder mal liest, dass ein Franchisesystem eine Vertriebsorganisation sei. Das ist nicht grundsätzlich falsch – ohne Verkaufen läuft nichts –, aber wir kennen kein Franchisesystem mit dieser verengten Sicht, das so richtig erfolgreich geworden wäre.

Deine Franchisepartnerinnen stehen jeden Morgen auf und überlegen sich, wie sie heute am besten neue Kunden gewinnen und die Wünsche bestehender Kundinnen noch besser erfüllen können, wie sie am besten ihre Mitarbeitenden führen, letztlich: Was sie heute wieder tun können, um ihr Unternehmen auf Erfolgsspur zu bringen oder zu halten.

Wenn du Erfolg als Franchisegeber haben möchtest, solltest du jeden Morgen aufstehen und dir überlegen, wie du heute deine Franchisepartnergenau dabei am besten unterstützen kannst. 

So aufgestellt wird sich der Vertriebserfolg und die Zufriedenheit bei deinen Franchisepartnerinnen mit viel höherer Wahrscheinlichkeit einstellen, als wenn du nur heftig auf den Boden aufstampfend immer wieder herausbrüllst: „Die sollen doch endlich mein Zeug verkaufen!“ 

„Es gibt viele schlechte Gründe, ein Unternehmen zu gründen. Aber es gibt nur einen guten, wirklich überzeugenden Grund, und ich denke, du weißt, welcher das ist: die Welt zu verändern.“ (Phil Libin, CEO von Evernote)



Dieser Beitrag ist ein Auszug aus "Geschäftsmodell Franchising - So baust du dein Franchisesystem auf", herausgegeben von Jana Jabs und Eugen MarquardAlle Informationen zum Titel erhalten Sie hier.


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