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Value-Based Care in Krankenhäusern

Qualitätssicherung in Krankenhäusern durch Value-Based Care

Heidemarie Haeske-Seeberg


1.1 Ist-Zustand

Qualitätssicherung von Krankenhausleistungen hat in Deutschland eine längere Tradition. Bereits seit 1989 sind Krankenhäuser gesetzlich verpflichtet, sich an Maßnahmen der Qualitätssicherung zu beteiligen. In der Folge sind es immer mehr Diagnosen und Prozeduren geworden, die zunächst mit datengestützter Qualitätssicherung und später auch mit anderen Instrumenten einer verpflichtenden Qualitätssicherung unterzogen wurden. Solche Instrumente sind:

  • Planungsrelevante Qualitätsindikatoren
  • Strukturvorgaben 
  • Zentrenbildung 
  • Mindestmengen 
  • Qualitätsverträge 
  • Zweitmeinungen

Für die konkrete Ausgestaltung hat der Gesetzgeber den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beauftragt. Dieser hat ergänzend dazu auch eine Richtlinie für verbindlich einzuführende Maßnahmen des Qualitätsmanagements erarbeitet. Ein Gesamtkonzept für qualitätssichernde Maßnahmen, die sich auf die verschiedenen Beobachtungs-und Ausgestaltungsebenen Bund, Länder, Regionen und einzelne Gesundheitseinrichtungen richtet, ist jedoch nicht erkennbar. Im Rahmen der Krankenhausreform, die in der Legislaturperiode 2021–2025 Gegenstand des Koalitionsvertrages (SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP 2021) ist, wurden von der für diesen Zweck eingesetzten Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung in verschiedenen Stellungnahmen Vorschläge für die Weiterentwicklung der Qualitätssicherung in Krankenhäusern veröffentlicht. Bereits in der dritten Stellungnahme wurde angekündigt, dass „Mindestvoraussetzungen im Sinne einer mindestens erforderlichen Strukturqualität“ (Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung 2022) erarbeitet werden sollten.

Zudem wird empfohlen:

„Je nach Leistungsgruppe sollen geeignete Kriterien der Prozess- und Ergebnisqualität die Höhe des Vorhalteanteils beeinflussen und damit gute Qualität fördern“ (Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung 2022). 

Die bereits in der vorangegangenen Legislaturperiode diskutierten Versuche, für entsprechende Qualität Zu- und Abschläge zu konzipieren, ist nicht gelungen. Nunmehr kommt es also darauf an, ein tragfähiges Konzept zu entwickeln. Ausführlich widmet sich die siebente Stellungnahme der Regierungskommission (Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung 2023) diesem Thema. Dort werden die bisherigen Instrumente analysiert und Verbesserungsvorschläge für die Weiterentwicklung der verschiedenen Instrumente der gesetzlichen Qualitätssicherung, die in den letzten Jahren durch den G-BA erarbeitet wurden, unterbreitet. Als Leitgedanke wird das Konstrukt des Value-Based Care (VBC) adressiert:

„Value-Based Health Care postuliert einen Gesundheitswettbewerb, in dem sich Leistungserbringerin Netzwerken organisieren und dafür belohnt werden, dass sie für definierte Patientengruppen besonders gute Gesundheitsergebnisse zu möglichst niedrigen Kosten (Value= Gesundheitsergebnisse im Verhältnis zu den Kosten zum Erreichen dieser Ergebnisse)erzielen. Der Wettbewerb um Value hat vor allem Konsequenzen für die Versorgungsstrukturen und die Vergütung. Bestimmte Patientengruppen sollen nur in Abteilungen versorgt werden, die über die dafür notwendige Infrastruktur, das Personal und die Erfahrung verfügen. Und Vergütung soll nicht allein mengenbezogen erfolgen, sondern sie soll basierend auf kontinuierlicher Ergebnismessung Qualitätsaspekte berücksichtigen.“ (Regierungskommissionfür eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung 2023)

Erfahrung steht hier für angemessene Prozesse. 

Ideen, welche qualitätssichernden Maßnahmen mit großer Wahrscheinlichkeit zu besseren Ergebnissen führen und zu zusätzlicher finanzieller Vergütung führen sollten, waren also gefragt. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden in der Stellungnahme einerseits die bestehenden Qualitätssicherungsinstrumente und -vorgaben hinsichtlich ihrer Funktionstüchtigkeit bewertet. Andererseits werden neue Instrumente skizziert, um VBC als Leitgedanken zur Verbesserung von Qualität und Patientensicherheit in der stationären Versorgung in Deutschland zu etablieren.


1.2 Bessere Zusammenarbeit in Gesundheitsregionen und Versorgungsnetzwerken 

Unabhängig davon, wie eine Reform der Krankenhausversorgung im Detail ausgestaltet werden wird, muss es zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Krankenhäusern mit ihren unterschiedlich differenzierten Angeboten kommen. Diese wird sich über Datenströme, Telemedizin und unmittelbare persönliche Zusammenarbeit gestalten. Um diese Zusammenarbeit qualitativ hochwertig und patientenorientiert umsetzen zu können, sind verschiedenen Instrumente hilfreich(s. Abb. 1). Die Regierungskommission hat hier vorgeschlagen,

  • gemeinsam geplante Behandlungsabläufe und sektorunabhängige bzw. -übergreifende klinische Pfade vor allem für solche Krankheitsbilder zu erarbeiten, bei denen eine arbeitsteilige Versorgung zwischen den Einrichtungen regelhaftstattfindet, 
  • dem Entlassmanagement dabei ein besonderes Augenmerk zu widmen, 
  • Datentransparenz im Netzwerk zu pflegen, da dies die Basis für qualitätsbezogene Analysen entlang der Versorgungskette ist, 
  • das prospektive Instrument der Indikationsboards – in Anlehnung auf die bekannten Tumorboards – für ausgewählte Fallkonstellationen zu etablieren, 
  • die retrospektiven analytischen Instrumente des Peer Review und gemeinsamer regionaler Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen jeweils interdisziplinär und interprofessionell sowie strukturiert und regelmäßig zu nutzen sowie 
  • eine gegenseitige Unterstützung bei der Etablierung innovativer und leitliniengerechter Behandlungsmethoden zu pflegen.

Diese qualitätssichernden Instrumente dienen der unmittelbaren Verbesserung der Patientenversorgung als einem Grundsatz von VBC und werden von der Regierungskommission auch als Bestandteil einer qualitätsabhängigen Vergütung beschrieben. Es könnte die Möglichkeit geschaffen werden, in einem Netzwerk die Durchführung mithilfe eines entsprechenden Zertifikates nachzuweisen.

Abb. 1

1.3 Indikationsboards

Dem Instrument der Indikationsboards kommt besondere Bedeutung zu, da mit einer richtigen Indikationsstellung die Grundlage für eine adäquate Behandlung gelegt wird. Hier sollten Vertreter der bei der Behandlung ausgewählter Patientengruppen beteiligten Fachdisziplinen und Berufsgruppen gemeinsam über Zeitpunkt und Art von Interventionen beraten. Dabei ist die Betrachtung sowohl medizinischer Befunde und sozialer Faktoren als auch von Patientenpräferenzen notwendig. Dabei müssten – je nach Indikationsgruppe – nicht alle Patienten Gegenstand der Beratungen sein. Besonders komplizierte Konstellationen, seltene Eingriffe oder ausgeprägte Multimorbidität könnten dazu führen, die Indikationsstellungen in einem gemeinsamen Austausch von Fakten und Bewertungen zu diskutieren. Die Ergebnisse sollten mit dem betroffenen Patienten im Sinne von Shared Decision Making (SDM) besprochen werden.

Die wissenschaftlich fundierte Erarbeitung eines Leitfadens, wie solche Indikationsboards erfolgreich initiiert und durchgeführt werden können, sollte gefördert werden.

Indikationsboards helfen in kritischen Fällen, eine patientenorientierte Therapieentscheidung vorzuschlagen und verbessern die Qualität durch Zweitmeinung und einen interdisziplinären und interprofessionellen Ansatz.


1.4 Flächendeckende Einführung von PREM

Patienten ist es besonders wichtig, Vertrauen in ihre Behandler haben zu können. Dies kommt insbesondere durch Vorgehensweisen zustande, die Patienten in die Lage versetzen, ihre medizinische Versorgung aktiv mitzugestalten. Die Umsetzung der im Patientenrechtegesetz beschriebenen Vorgehensweisen spielen hier – neben anderen Faktoren – eine zentrale Rolle. Um dies verifizieren zu können, konnte durch das Picker Institut Boston gezeigt werden, dass patientengruppenübergreifend einheitliche Befragungsinstrumente genutzt werden können, um valide Ergebnisse mit Ansatzpunkten für Verbesserungen darzustellen. Mit sog. ereignisorientierten Fragen werden nicht Meinungen erfragt. Vielmehr wird eruiert, ob Prozesse so stattgefunden haben, wie dies geplant und vorgesehen war. Dazu ist notwendig, im Vorfeld zu eruieren, wie Prozesse ausgestaltet sein müssen, um patientenorientiert zu sein. Dazu gehören auch wesentliche Bestandteile der patientenbezogenen Kommunikation.

Mit der Einführung von einheitlichen PREM würden wichtige Erkenntnisse zum Stand der Patientenorientierung in der Gesundheitsversorgung gewonnen. Die Anwendung einer einheitlichen Befragung in allen Krankenhäusern und ggf. sogar in allen Gesundheitseinrichtungen ermöglicht Benchmarking. Damit könnten die Einrichtungen ihre sich aus der QM-Richtlinie des G-BA (G-BA o. J.) ergebenden Verpflichtung zur Durchführung einer Patientenbefragung erfüllen.


Die Ergebnisse solcher Befragungen liefern wesentliche Hinweise für die Patientenorientierung von Prozessen.


1.5 Shared Decision Making

Die Beteiligung von Patienten an der Entscheidungsfindung zu verbessern ist das Ziel von SDM. Mithilfe strukturierter Gesprächsführung und unter Nutzung von für diesen Zweck erstellten Informationsmaterialien soll die gesetzlich vorgeschriebene Patientenaufklärung auf ein neues Level gehoben werden. Beteiligung des Patienten an wichtigen Entscheidungen im Behandlungsverlauf ist ein wesentlicher Bestandteil der Zufriedenheit von Patienten mit ihrer Behandlung. Deshalb sollte dieses Instrument breiter genutzt werden. Vom Innovationsfond geförderte Pilotprojekte (Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss o. J.) haben gezeigt, dass es verschiedene Elemente sind, die die Einführung beeinflussen und Einrichtungen und ihre Mitarbeitenden befähigen, dieses Instrument einzusetzen. Als Umsetzungsinstrumente wurden das Training von Ärzten, die Qualifizierung des Pflegepersonals, die Aktivierung von Patienten sowie die Nutzung von Entscheidungshilfen für Patientenbenannt. Durch eine finanzielle Förderung könnte mit der freiwilligen Einführung von SDM begonnen werden. Die Evaluation einer erfolgreichen Umsetzung würde über eine PREM-Befragung erfolgen. SDM bietet die Chance, Patienten informierte Entscheidungen in Bezug auf ihren Behandlungsverlauf zu ermöglichen.


1.6 Flächendeckende Einführung von PROM 

Das medizinische Ergebnis einer Behandlung kann durch Patienten in wesentlichen Teilen beurteilt werden. Darüber besteht inzwischen Einigkeit. Mit welchem Instrumentarium dies bei einer flächendeckenden Einführung sinnvoll erfolgen kann, muss jedoch noch identifiziert werden. So ist ein komplett einheitliches Befragungsinstrument–anders als bei PREMs – nicht zielführend. Jedoch hat das Projekt PROMIS® (Charité o. J.) gezeigt, dass eine gemeinsame Befragungsbasis mit Fragen zum allgemeinen Gesundheitszustand wie Schmerzen, Schlaf oder auch depressive Symptome durchaus Verwendung finden kann. Das Ziel der PROMIS®-Initiative ist eine Standardisierung von Instrumenten zur Messung von Patient-Reported Outcomes (PROs).

Auf diese Weise könnte rasch mit einer Befragung begonnen werden, die relevante Ergebnisse zeigt. Gleichzeitig könnte die für die Befragung notwendige technische Infrastruktur geschaffen werden. Auch hier hat das PROMIS-Projekt relevante Vorarbeiten geleistet, indem Computer-Adaptive Tests entwickelt wurden, bei denen dem Befragten vom Computer nur solche Items vorgelegt werden, die zu dem bisherigen Antwortverhalten passen. Mit der Ergänzung von wenigen spezifischen Fragen für die verschiedenen Patientengruppen könnte eine nächste Stufe erreicht werden.

Die Einführung in ersten Piloteinrichtungen könnte durch eine finanzielle Förderung unterstützt werden. Dadurch würde Zeit gewonnen werden, Benchmarking und Strategien zur Ergebnisdarstellung und -bewertung zu gewinnen, aber auch die Entwicklung interoperabler Software unterstützen. Die Einführung von PROMs bildet eine wichtige Basis, die Patientenversorgung auf Patientenbedürfnisse auszurichten.


1.7 Fazit

Die aufgezeigten Instrumente versprechen eine Entwicklung unserer Gesundheitsversorgung in Richtung VBC. Sie werden jedoch nur dann eine ausreichende Verbreitung erfahren, wenn sie die bisherige gesetzliche Qualitätssicherung ergänzen oderteilweise ersetzen. Um einen notwendigen Schub herbeizuführen, sollten ihre frühzeitige und freiwillige und ggf. regional begrenzte Einführung durch Gesundheitsorganisationen mit einem Aufschlag auf die Vergütung unterstützt werden (s. Abb. 2). Für einzelne Instrumente gibt es bereits Pilotprojekte und freiwillige Umsetzung in Qualitätsinitiativen wie der Initiative Qualitätsmedizin e.V. (IQM) (www.initiative-qualitaetsmedizin.de). Dort sind Peer Reviews seit Jahren der Kern der qualitätsverbessernden Maßnahmen. Erfahrungen und Konzepte für alle Etappen der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung, aber auch die notwendige Schulung der Peerssind dort vorhanden. Eine Übertragung in eine zertifizierungsfähige bzw. in eine für die gesetzliche Qualitätssicherung geeignete Form ist sicher möglich.

Auch Indikationsboards wurden von Mitgliedskliniken von IQM erprobt und werden als erfolgversprechend bewertet. Eine gemeinsame Einführung von PROMs ist dort ebenfalls in Vorbereitung. Andere Qualitätsinitiativen bedienen sich inzwischen einiger der aufgezeigten Maßnahmen. So haben zahlreiche Krankenhäuser begonnen, die Instrumente des SDM anzuwenden. Solche freiwilligen Projekte sollten gefördert werden, um weitere Erfahrungen zu sammeln. Dadurch könnte und sollte die Konzeptentwicklung für die verbindliche gesetzliche Anwendung bereichert werden.

Abb. 2

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus "Gemeinschaftsprojekt Gesundheit - Wie Value-Based Care das Gesundheitswesen neu erfindet", herausgegeben von Prof. Dr. Lutz Hager, PD Dr. Ursula Hahn, Franz Knieps, Dr. Bernadette Klapper, Bettina Lutz, Dr. Benedikt Simon und Johanna NüskenAlle Informationen zum Titel erhalten Sie hier.


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