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Ambulante Versorgung in den Sektoren

Ambulante Versorgung im Spannungsfeld der Sektoren

Andreas Goepfert und Peter Magunia

1. Aktuelle Situation der ambulanten Versorgung

Die ambulante Versorgung in Deutschland steht vor vielfältigen Herausforderungen, die sich aus einer wachsenden Anzahl von Patienten, demografischen Veränderungen und einem steigenden Bedarf an Versorgungsleistungen ergeben. Insbesondere die Koordination und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Leistungserbringern stellt eine Herausforderung dar. Oftmals gibt es Schnittstellenprobleme zwischen den ambulanten und stationären Versorgungsbereichen sowie zwischen den verschiedenen Fachrichtungen. Dies kann zu Verzögerungen bei der Diagnosenstellung, Doppeluntersuchungen und einem ineffizienten Ressourceneinsatz führen.

Eine verbesserte Vernetzung und Koordination der verschiedenen Akteure ist daher von entscheiden der Bedeutung, um eine kontinuierliche und patientenzentrierte Versorgung sicherzustellen. Gerade hierzu sollen auch die aktuellen Reformbestrebungen mit einem erheblichen Schwerpunkt auf den Ausbau der ambulanten Versorgung dienen. Das Ziel der zukünftigen Transformation des Gesundheitswesens mit dem Bestreben

  • stationäre Leistungserbringung zu reduzieren,
  • den ambulanten Versorgungsbereich zu erweitern und dabei
  • die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Sektoren zu erleichtern,

stellt eine Mammutaufgabe dar. Dass diese Entwicklung in den kommenden Jahren rasch voranschreiten wird ist aus Sicht vieler Krankenhausgeschäftsführer sicher. So erwartet die Mehrheit der Krankenhausgeschäftsführer laut Roland Berger Krankenhausstudie, dass die Gesamtanzahl der Krankenhäuser in Deutschland bis 2033 um 34–47% sinken wird (s. Abb. 1).

Gleichzeitig gewinnt die ambulante Leistungserbringung für Krankenhäuser deutlich an Wichtigkeit und nimmt bereits in den nächsten 5 Jahren laut Krankenhausgeschäftsführern einen prioritären Stellenwert ein (s. Abb. 2).

Deutlich wird, dass um nachhaltig erfolgreich zu sein kein Krankenhaus mehr alleine agieren kann. So stellt die sektorenübergreifende Kooperation mit anderen Leistungserbringern, auch im ambulanten Bereich, laut Studienergebnis die wichtigste strategische Maßnahme der nächsten Jahre dar (s. Abb. 3). Die Lösung dieser Mammutaufgabe wird nur gelingen, wenn alle Beteiligten sich auf einen klaren Zielkorridor einigen können, der das Gemeinwohl in den Vordergrund stellt und die jeweiligen partikularen Interessen reduziert.


2. Zukünftige Anforderungen an die ambulante Versorgung

Die zukünftige Ausgestaltung der ambulanten Versorgung erfordert eine verstärkte Ausrichtung auf Prävention, Früherkennung und Gesundheitsförderung. Angesichts des demografischen Wandels und der Zunahme chronischer Erkrankungen ist eine stärkere Betonung präventiver Maßnahmen erforderlich, um die Gesundheit der Bevölkerung zu erhalten und die Belastung des Gesundheitssystems zu reduzieren. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Sektoren des Gesundheitswesens sowie eine verstärkte Einbindung von Patienten und der gesunden Bevölkerung in die Gestaltung von Präventionsprogrammen und Gesundheitsförderungsmaßnahmen. Diese Zukunftseinschätzung wird von vielen Krankenhausgeschäftsführern geteilt. So steigt die Relevanz von Prävention in den kommenden Jahren sprunghaft an, Krankenhäuser werden so mehr und mehr zu Gesundheitsakteuren (s. Abb. 4).

Darüber hinaus spielen innovative Versorgungsmodelle wie beispielsweise Telemedizin, digitale Gesundheitsanwendungen und integrierte Versorgungskonzepte eine immer wichtigere Rolle, um eine zukünftige flächendeckende und dabei qualitativ hochwertige Versorgung sicherzustellen. 

Auch hierfür ist ein mutiges gemeinsames Umdenken aller Interessensgruppierungen erforderlich, damit notwendige weitgehende Veränderungen erfolgreich konzipiert, abgestimmt und umgesetzt werden können. Mut und Realismus gepaart mit Kommunikationskompetenz sind hierfür unabdingbar.


3. Auswirkungen der Ambulantisierung auf die verschiedenen Sektoren

Die (ambulante) Gesundheitsversorgung steht vor einer Reihe von Herausforderungen, aber auch vor Chancen zur Weiterentwicklung. Zu den Herausforderungen gehören unter anderem der Fachkräftemangel, die zunehmende Bürokratisierung im Gesundheitswesen und die steigenden Anforderungen an die Qualitätssicherung und Dokumentation. Darüber hinaus sind auch Fragen der Finanzierung und Vergütung ambulanter Leistungen sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für viele Beschäftigte im Gesundheitswesen relevante Themen. Die Ambulantisierung kann für Krankenhäuserdabei hinsichtlich des Fachkräftemangels auch eine Chance darstellen. Wesentliche Ursachen für den Fachkräftemangel im stationären Bereich wie insbesondere die starke Regulierung wie Pflegepersonaluntergrenzen (s. Abb. 5) sind im ambulanten Bereich weniger stark ausgeprägt.

Gleichzeitig bieten sich weitere Chancen zur Weiterentwicklung der ambulanten Versorgung, insbesondere im Bereich der Digitalisierung, Telemedizin und der Künstlichen Intelligenz (s. Abb. 6). Die zunehmende Nutzung digitaler Gesundheitsanwendungen und telemedizinischer Angebote kann dazu beitragen, die Versorgung effizienter und zugänglicher zu gestalten und die Patientenzufriedenheit dabei zu erhöhen.


Darüber hinaus bieten sich auch Möglichkeiten zur verstärkten Einbindung von Patienten und Angehörigen in die Versorgungsprozesse sowie zur Förderung von Prävention und Gesundheitsförderung. Der im Alltag aktuell sich immer stärker weiterentwickelnde Trend, den Anteil der Selfservice-Aktivitäten umfassend auszubauen, wird auch im Gesundheitswesen alle Beteiligte fordern. Gerade hier liegen große Chancen und natürlich auch Risiken durch Vorbehalte der Akteure.

Die Ambulantisierung des Gesundheitswesens hat Auswirkungen auf verschiedene Sektoren und Bereiche, darunter die ambulante und stationäre Versorgung, die Pflege, die Rehabilitation und die Prävention. Eine verstärkte Ambulantisierung kann dazu beitragen, die Versorgungskontinuität und -koordination zwischen den verschiedenen Versorgungsbereichen zu verbessern und die Behandlungsqualität zu erhöhen. Gleichzeitig ergeben sich jedoch auch Herausforderungen im Hinblick auf die Finanzierung und Organisation der ambulanten Versorgung sowie die Schnittstellenprobleme zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Eine verstärkte Zusammenarbeit und Koordination zwischen den verschiedenen Sektoren und Leistungserbringern ist daher von entscheidender Bedeutung, um eine hochwertige und bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen.

4. Rolle der Politik und der Gesundheitspolitik

Die Politik und insbesondere die Gesundheitspolitik spielen eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für die ambulante Versorgung. Durch die Entwicklung und Umsetzung von gesundheitspolitischen Strategien, Gesetzen und Maßnahmen können und müssen die Weichen für eine erfolgreiche Ambulantisierung gestellt werden. Dies umfasst unter anderem die Förderung von innovativen Versorgungsmodellen, die Stärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit und die Sicherstellung einer angemessenen Finanzierung und Vergütung ambulanter Leistungen.

Darüber hinaus ist auch die Schaffung von Anreizen zur Förderung von Prävention und Gesundheitsförderung sowie zur Unterstützung von Patientenorientierung und Partizipation von großer Bedeutung. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik, Gesundheitswesen und anderen relevanten Akteuren ist daher unerlässlich, um die Ambulantisierung des Gesundheitswesens erfolgreich voranzutreiben und eine hochwertige und bedarfsgerechte Versorgung für alle Bürgersicherzustellen. Besonderes Augenmerk ist hierbei in Deutschland auf das grundsätzliche föderale System zu legen. Der Bund kann mit seiner Gesetzgebung den grundsätzlichen richtigen Rahmen gerade im Hinblick der Finanzierung legen. Die Bundesländer haben dabei jedoch die Hoheit über die jeweilige Krankenhausplanung.

Parallel gibt es noch Krankenkassen, kassenärztliche Vereinigungen, Ärztekammern, Apothekerkammern, Krankenhausgesellschaften, Pflegekammern, sowie eine Vielzahl weiterer Lobbygruppierungen und zusätzlich noch den gesamten Themenbereich der Industriepartner. Daraus mag ein fast unlösbarer Interessencocktail entstehen. Umso wichtiger erscheint es, zunächst den richtigen notwendigen Zielkorridor zu definieren. Dabei gilt es die demografischen Entwicklungen, den technologischen Fortschritt mit den ökonomischen Möglichkeiten in ein akzeptables ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Die Kunst wird darin bestehen, die partikularen Interessen der unterschiedlichen Akteure im Sinne des Gemeinwohls umzulenken. Hier muss die Politik vorausschauend verantwortlich ohne allzu großen Blick auf die nächsten Wahlen agieren. Diese Forderung kann alleine jedoch schnell zu einem unerfüllbaren Wunsch werden. Daher ist der Blick über die Grenzen hinaus wichtig und hilfreich.

Auch im internationalen Kontext gibt es zahlreiche Beispiele und Best Practice im Bereich der ambulanten Versorgung, die als Inspiration und Orientierung dienen können. Länder wie die Niederlande, Großbritannien und Kanada haben bereits umfangreiche Erfahrungen mit der Ambulantisierung des Gesundheitswesens gesammelt und erfolgreiche Modelle zur integrierten und koordinierten Versorgung entwickelt. Diese Modelle zeichnen sich durch eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Leistungserbringern, eine patientenzentrierte Versorgung und eine hohe Effizienz aus. Durch den Austausch von Erfahrungen und die Übertragung erfolgreicher Konzepte und Ansätze können auch in Deutschland wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der ambulanten Versorgung gesetzt werden. Daher ist es umso wichtiger, dass die unterschiedlichen Experten aus dem gesamten Gesundheitswesen innovative tragfähige Konzepte entwickeln und als „Best Practice Modelle“ bei der Politik dafür werben und diese einfordern.


5. Fazit und Ausblick

Trotz der vielfältigen Chancen und Potenziale birgt die Ambulantisierung des Gesundheitswesens aus Sicht vieler Krankenhausgeschäftsführer auch Herausforderungen und Risiken (s. Abb. 7).

Eine zunehmende Ambulantisierung kann zu einer Überlastung der ambulanten Strukturen führen, insbesondere wenn die Kapazitäten nicht ausreichend ausgebaut werden. Engpässe bei der ärztlichen und pflegerischen Versorgung sowie lange Wartezeiten können die Folge sein und die Versorgungsqualität beeinträchtigen. Darüber hinaus sind auch Fragen der Finanzierung und Vergütung ambulanter Leistungen weiterhin von großer Bedeutung. Eine angemessene Vergütung der Leistungserbringer ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass diese ihre Aufgaben qualitativ hochwertig und verantwortungsvoll wahrnehmen können. 

Eine angemessene Finanzierung der ambulanten Versorgung ist daher unerlässlich, um eine hochwertige und bedarfsgerechte Versorgung auch sicherzustellen.

Die Ambulantisierung des Gesundheitswesens bietet große Chancen zur Verbesserung der Versorgungsqualität, Effizienz und Patientenzufriedenheit. Durch eine verstärkte Ausrichtung auf Prävention, eine verbesserte Vernetzung und Koordination der Leistungserbringer sowie eine verstärkte Einbindung von Patienten und Angehörigen können wichtige Fortschritte erzielt werden. Gleichzeitig sind jedoch auch Herausforderungen zu bewältigen, insbesondere im Hinblick auf die Sicherstellung ausreichender Kapazitäten, die Finanzierung und Vergütung ambulanter Leistungen sowie die Gewährleistung einer hohen Versorgungsqualität. Es liegt nun an den Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die ambulante Transformation des Gesundheitswesens erfolgreich umzusetzen und eine hochwertige und bedarfsgerechte Versorgung für alle Bürger sicherzustellen.

Um diese ambulante Transformation des Gesundheitswesens erfolgreich umzusetzen, sind verschiedene Maßnahmen und Empfehlungen erforderlich.

1. Stärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit: Eine verstärkte konstruktive und zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Leistungserbringern und Berufsgruppen ist unerlässlich, um eine ganzheitliche und patientenzentrierte Versorgung sicherzustellen. Partikulare Interessen gilt es zu erfassen und nicht als unüberwindbare Hindernisse zu bewahren. Dies erfordert eine enge vertrauensvolle Abstimmung und Kooperation zwischen Ärzten, Pflegekräften, Therapeuten und weiteren Gesundheitsdienstleistern unter Einbeziehung der Politik.

2. Ausbau von Versorgungsstrukturen und Kapazitäten: Um den steigenden Bedarf an ambulanter Versorgung zu decken, müssen die ambulanten Versorgungsstrukturen und Kapazitäten ausgebaut und weiterentwickelt werden. Dies umfasst unter anderem den Ausbau von Facharztpraxen, ambulanten Pflegediensten und anderen ambulanten Einrichtungen. Hierbei kommt den Krankenhäusern eine zunehmend bedeutendere Rolle bei der Leistungserbringung und Koordination in diesen außerklinischen Bereichen zu. Dies kann zukünftig eine versorgungsvertragliche Verpflichtung der Krankenhäuser werden.

3. Förderung von Innovation und Digitalisierung: Die Digitalisierung und der Einsatzinnovativer Technologien spielen eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung der ambulanten Versorgung. Die Förderung von Telemedizin, digitalen Gesundheitsanwendungen wie z.B. App-Anwendungen und anderen innovativen Versorgungsmodellen kann dazu beitragen, die Versorgung effizienter und patientenfreundlicher zu gestalten.

4. Verbesserung der Vergütungssysteme: Eine angemessene Vergütung der ambulanten Leistungserbringer ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass diese ihre Aufgaben qualitativ hochwertig und verantwortungsvollwahrnehmen können. Eine aktuelle Berücksichtigung der jeweiligen Preisentwicklung ist hierbei für ein erfolgreiches Erfolgsmodell maßgeblich erforderlich. Die Weiterentwicklung und Anpassung der Vergütungssysteme sollte daher ein zentrales Anliegen der Gesundheitspolitik sein, da die Preisgestaltung der Gesundheitsleistungen größtenteils nicht im Einflussbereich der Gesundheitsleistungserbringerliegt.

5. Datenschutz und Bürokratie: Für eine zügige zukunftsfähige Weiterentwicklung der Ambulantisierung in Deutschland sind Erleichterungen sowohl für die Patienten als auch für die Leistungserbringer unabdingbar. Datenschutz und Bürokratie sind in im richtigen Umfang Garant für ein sicheres und stabiles System. Jedoch bei einer überbordenden Entwicklung in diesen Themenbereichen werden sie dann zum Hemmschuh für jegliche innovativen Modelle. Daher gilt auch hier, die Bereitschaft zur sinnvollen Begrenzung, kann den notwendigen Transformationsprozess im Gesundheitswesen maßgeblich unterstützen


Dieser Beitrag ist ein Auszug aus "Das ambulante Krankenhaus - Planung, Aufbau und Betrieb ambulanter Angebote durch Kliniken" herausgegeben von Dr. Andreas Goepfert und Dr. Peter MaguniaAlle Informationen zum Titel erhalten Sie hier.


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