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Die Big Player in der proaktiven Medizin

Welche Firmen werden zukünftig die Big Player in der Welt der proaktiven Medizin sein?

THOMAS BIEGERT UND RAINER SEILER

Schon heute investieren Tech-Konzerne Milliarden in medizinische bzw. gesundheitsassoziierte Technologien. Ganz vorn dabei sind die sogenannten Big Five (s. Abb. 1): Google bzw. das Mutter-Unternehmen Alphabet, Apple, Amazon, Facebook bzw. das 2021 in Meta umbenannte Mutter-Unternehmen und Microsoft. Zudem ist das von Elon Musk gegründete Unternehmen Neuralink zu den wichtigen Playern im hochinnovativen digitalen Healthcare-Markt zu zählen. Im Folgenden werden beispielhaft einige der aktuellen Vorhaben dieser Firmen beschrieben. Es ist davon auszugehen, dass die genannten Unternehmen noch zahlreiche weitere Projekte bearbeiten.

Google/Alphabet: Der Konzern bündelt seine Aktivitäten im Bereich Medizinforschung in dem Tochterunternehmen Verily (engl.: wahrhaftig). Verily beschäftigt etwa 1.000 teilweise hochkarätige Wissenschaftlerinnen und Wis­senschaftler aus den Bereichen Medizin, Biologie, Chemie, Physik, Informatik, Materialwissenschaft, Maschinenbau und Robotik. Seit 2017 sammelt Verily gemeinsam mit den Universitäten Stanford und Duke genetische, molekulare und psychologische Biodaten für eine erste sogenannte Baseline Study (Grundsatzstudie) mit den Methoden des 21. Jahrhunderts. Die rund 10.000 Teil-

Abb. 1 Themen der zukünftigen Big Player im Healthcare Market

nehmenden werden zu diesem Zweck mit Sensoren und Messgeräten ausgestattet, die rund um die Uhr Daten an Verily liefern. Weitere regelmäßig durchgeführte Untersuchungen wie Blutanalysen, Mikrobiom-Auswertungen, Röntgenaufnahmen sowie CT- und MRT-Scans vervollständigen das Bild. Ziel ist es, Grunddaten für Gesundheit zu definieren und auf dieser Basis die digitalen Messgeräte zu eichen unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht und anderen Parametern. (Schulz 2018) Auf diese Weise entsteht aus dem Daten-Input zahlreicher Sensoren für jeden Menschen ein digitaler Phänotyp, der mit bestimmten Krankheitsbildern verknüpft wird. Oder wie Jessica Mega, die Chef-Medizinerin von Verily es zusammenfasst: „Unsere Mission ist, die Gesundheitsdaten der Welt nutzbar zu machen, damit wir gesünder leben können.“ (Schulz 2018a)

Apple: Herzstück der medizintechnologischen Bemühungen von Apple ist die Apple Watch. Ziel ist es, die Hightech-Uhr zu einem umfassenden Gesundheitssensor weiterzuentwickeln. 2015 hatte Apple bereits die Plattform ResearchKit eingerichtet, die Softwareentwickler bei der Entwicklung von Gesundheits-Apps unterstützt. Anwendungen zur Diagnose von Parkinson, Autismus, bestimmten Formen von Hautkrebs oder zur Erkennung von ungewöhnlichen Herzfrequenzen bzw. Herz-Rhythmus-Störungen sind bereits im Einsatz. Sogar ein EKG kann mithilfe einiger Apple Watch Modelle durchgeführt werden, zudem verfügt die Apple Watch mittlerweile über eine Anwen­dung zur Sturzerkennung (vgl.https://www.apple.com/de/healthcare/apple-watch/). Je mehr medizinische Funktionalitäten die Apple Watch auf sich ver­eint, umso stärker verschiebt sich ihr Image weg vom Luxusprodukt und Statussymbol hin zu einem sinnvollen Gesundheitsprodukt. Angesichts des wachsenden Anteils des Gesundheitssektors am Bruttoinlandsprodukt zahlreicher Industrieländer dürfte diese Strategie sich für Apple auch wirtschaftlich auszahlen (Statista 12.04.2021, Papanicolas et al. 2018).

Amazon: Amazon stellt mit seinem Cloud-Service Amazon Web Services immen­se Speicherkapazitäten und Rechenleistung zur Verfügung, die u.a. von Biotechnologien-Unternehmen und Forschungslaboren für Genomanalysen ge­nutzt werden. Daneben werden über Server von Amazon virtuelle Arztbesuche erprobt und Gesundheitsdaten ausgewertet. Darüber hinaus verfolgt der Versandriese das Ziel, im großen Stil in das Arzneimittelgeschäft einzusteigen. Mit der Online-Apotheke PillPack hat Amazon bereits 2018 ein Unternehmen mit Apotheken-Lizenz akquiriert (Schneider 10.02.2020) (vgl. hierzu auch Kap. 6.4).

Facebook/Meta: Nichts Geringeres als „noch zu Lebzeiten unserer Kinder alle Krankheiten zu heilen, zu verhindern oder zu managen“ haben sich Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und seine Frau, die Kinderärztin Priscilla Chan, vorgenommen (Schulz 2018). Vor diesem Hintergrund werden im 2016 gegründeten Chan Zuckerberg Biohub alle Zellen des menschlichen Körpers kartografiert. Ziel ist es, herauszufinden, auf welche Weise welche Zellen auf Therapien reagieren, um auf dieser Grundlage die Entwicklung von Medikamenten zu erleichtern. Ein weiterer Schwerpunkt liegt zudem auf innovativen Kommunikationsformen. So arbeiten die Forscherinnen und Forscher des Chan Zuckerberg Biohub u.a. an einem nicht-invasiven Gehirn-Maschinen-Interface, mit dessen Hilfe Menschen per Gedankenkraft Nachrichten schreiben können. Dies soll über ein am Körper getragenes Gerät, etwa ein Stirnband, funktionieren. Ein anderes Projekt beschäftigt sich mit der Fähigkeit des Menschen, über die Haut zu hören.

Microsoft: Die medizinische Forschungsplattform von Microsoft heißt Healthcare Next und ihre Aktivitäten muten etwas bodenständiger an als die der Wettbewerber. Spracherkennungssoftware soll Ärztinnen und Ärzten den Alltag erleichtern, medizinische Geräte sollen besser und günstiger werden, die Software InnerEye soll die Erstellung von radiologischen Planungs-Scans vor Operationen beschleunigen (Terry 2017). Ambitioniertere Projekte beschäftigen sich mit personalisierter Medizin für onkologische Patientinnen und Patienten auf Basis von Genomanalysen. Die individuellen Patientendaten werden in eine intelligente Software eingespeist, diese durchsucht die medizinische Literatur nach der bestmöglichen Therapie, sprich: nach der Medikamentenkombination, die die besten Erfolgschancen bietet. Wie komplex dieses Vorgehen ist, kann am Beispiel Leukämie erläutert werden: Das derzeit verfügbare Medikamentenspektrum erlaubt 11.026 Medikamenten- bzw. Wirkstoffkombinationen. Für Behandelnde ist es somit schlichtweg unmöglich, die vielversprechendste Kombination für den einzelnen Patienten zu ermitteln, während die Microsoft-Applikation innerhalb von wenigen Stunden Vorschläge für die besten Kombinationen machen kann. Das Projekt wird in Kooperation mit dem Knight Cancer Institute in Oregon erprobt (Schulz 2018).

Neuralink: Die von Elon Musk gegründete Firma Neuralink will Mensch und Maschine effizienter miteinander vernetzen, und zwar über einen Chip, der ins Gehirn implantiert wird. Im ersten Schritt soll es Menschen mit Lähmungen ermöglicht werden, mithilfe des Chips zu kommunizieren und damit unabhängiger von Hilfspersonen zu werden. In einem zweiten Schritt könnten neurologische oder motorische Störungen kompensiert werden (https://neuralink.com/). Letztendlich zielt Neuralink aber auf klügere, schnellere und bessere Denkvorgänge ab, sodass auch gesunde Menschen zur Zielgruppe des Chips werden könnten (Schulz 2018).

Die skizzierten Projekte bilden lediglich einen Ausschnitt des aktuellen For­schungsspektrums ab. Neben den aufgeführten Technologie-Konzernen exis­tieren außerdem unzählige weitere Unternehmen und Start-ups, die an inno­vativen medizinischen Anwendungen arbeiten. Was die Aktivitäten der Big Player eindrucksvoll zeigen, ist, welches Potenzial in der Verknüpfung von Informatik und Medizin liegt. Ohne riesige Datenmengen, entsprechende Speicherkapazitäten und lernende Systeme sind die angestrebten Fortschritte in der Diagnose und Therapie von Krankheiten nicht denkbar. Es dürften Jahr-

Tab. 1 Auswirkungen der Aktivitäten der Big Player auf die Akteure des Gesundheitssystems

zehnte vergehen, bis wir gelernt haben, mit diesen mächtigen Werkzeugen versiert umzugehen. Mit anderen Worten: Wir stehen am Anfang eines Jahrhunderts der Biotechnologie. Die Auswirkungen auf die Akteure des Gesundheitssystems sind in Tabelle 1 dargestellt.

Dieser Beitrag ist ein gekürzter Auzug aus dem Buch "Gesundheitsmarkt neu denken" herausgegeben von Thomas Biegert und Rainer Seiler. Alle Informationen zum Titel erhalten Sie hier.


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