Interview mit Prof. Christine Nickl-Weller
Kein Unternehmen ist vor den Auswirkungen der Pandemie verschont geblieben – vollständige Schließungen, Einschränkung durch Hygiene-Konzepte und Homeoffice stehen seit über einem Jahr an der Tagesordnung. Anpassungen folgten: Arbeitsstrukturen wurden verändert und die Digitalisierung beschleunigt.
Diese Veränderungen bringen ein enormes Potenzial für Innovationen und Fortschritt mit sich. Deshalb möchten wir nun den Blick auf Akteur:innen und Unternehmer:innen aus dem Gesundheitswesen werfen und erfahren, wie sie die Pandemie in ihren Organisationen und Unternehmen gemeistert haben und auf das Jahr zurückblicken.
Prof. Christine Nickl-Weller konzipiert und realisiert seit 30 Jahren Bauten für Gesundheit, Forschung und Lehre sowie Wohnungs- und Städtebau. Als eine der führenden Architektinnen Deutschlands kann sie auf zahlreiche nationale und internationale Projekte und Auszeichnungen verweisen. Sie ist Vorsitzende des Aufsichtsrates von Nickl & Partner Architekten.
Wie haben Sie als Unternehmer:in/Führungskraft den Beginn der Corona-Krise und des Shutdowns in Ihrem Verantwortungsbereich im März 2020 erlebt?
Eine der letzten großen Veranstaltungen wenige Tage vor Beginn des ersten Lockdowns war unser Symposium Health Care der Zukunft im März 2020 in der Akademie der Künste in Berlin. Danach kam erstmal der große Stillstand. Die Umstellungen beruflich und privat waren zunächst enorm. Als Architekturbüro mit drei Standorten in Europa und Niederlassungen in China und Indonesien waren Reisen ständiger Bestandteil unseres Alltags. Die Umstellung auf die digitale Kommunikation hat dann aber überraschend gut funktioniert und wir sehen inzwischen auch die Vorteile davon. In Bezug auf unsere Projekte waren wir glücklicherweise kaum betroffen. Wir konnten alle Baustellen fortführen und erleben sogar zurzeit eine Phase, in der viele neue Krankenhausprojekte ausgeschrieben werden, von denen wir einige akquirieren konnten. Das verbindende Miteinander im Büro, in Form von Mitarbeitertreffen, Festen oder gemeinsamen Exkursionen, fehlt seit März 2020 hingegen sehr und lässt sich auch durch Online-Formate nicht ersetzten.
Wie hat die Corona-Krise Ihre internen Abläufe und/oder Ihre Organisation verändert?
Die digitale Kommunikation nimmt inzwischen einen großen Anteil der internen Abläufe ein. Wir haben uns alle an Videokonferenzen und digitale Team-Besprechungen gewöhnt und wissen die Vorteile zu schätzen. Die europäischen Hauptstandorte München, Berlin und Zürich sind dadurch enger zusammengerückt. Für die intensive Arbeit an einem Projekt im Team ist aber nach wie vor die Präsenz vor Ort extrem wichtig. Gerade wenn es um kreative Prozesse und Diskussionen geht, darf kein digitales Medium die Spontanität ausbremsen.
Wie hat die Corona-Krise Ihre Produkte bzw. Dienstleistungen verändert?
Unsere „Produkte“ sind unsere Projekte. Da diese zu einem großen Anteil im Healthcare-Bereich liegen, setzen wir uns natürlich auch inhaltlich intensiv mit den Konsequenzen der Pandemie auseinander. Wir haben erlebt, dass die Frage, wie Krankenhäuser in Zukunft besser auf derartige Krisen reagieren könnten, zu einem großen gesellschaftlichen Thema wurde. Die Verletzlichkeit unseres Gesundheitssystems ist uns durch die Pandemie bewusster geworden. Das sollten wir als Chance für den Krankenhausbau begreifen. Im Vordergrund stehen Fragen der schnelleren Anpassbarkeit (z.B. von Pflegezimmern und Betriebsabläufen) und der Hygiene. Aber auch das Arbeitsumfeld des Personals und dessen Wohlbefinden im Krankenhaus sollte stärker unter die Lupe genommen werden.
Von wem und in welchem Kreis in Ihrem Unternehmen/Verantwortungsbereich wurden die wesentlichen Maßnahmen/Weichenstellungen für die Veränderungen eingeleitet?
Wir besprechen organisatorische Veränderungen in den Geschäftsführer- und Geschäftsleiterrunden. Trends und neue Herausforderungen im Krankenhausbau werden dagegen auf allen Ebenen in den Projektteams diskutiert.
Welche der getroffenen oder eingeleiteten Maßnahmen (Organisation, Prozesse, Produkte, Dienstleistungen) werden in Ihrem Unternehmen/Verantwortungsbereich auf jeden Fall auf Dauer beibehalten bleiben?
Wir haben die guten Seiten des digitalen Kommunizierens schätzen gelernt und werden wohl sicher auch in Zukunft auf den ein oder anderen Flug verzichten und stattdessen auf diese digital vergrößerte Bandbreite des Austauschs von Ideen und Daten zurückgreifen. Wo es irgendwie möglich war, konnten unsere Mitarbeiter flexibel zwischen Homeoffice und Büropräsenz switchen und wir stellen Masken, Tests und nun auch Impfangebote zur Verfügung. Diese Rolle der Gesundheitsfürsorge für die eigenen Mitarbeiter wollen wir als Unternehmen nun weiter ausbauen.
In einem Satz: Was bedeutet für Sie "die neue Normalität"?
Unsere Arbeit an sicheren, flexiblen und nachhaltigen Gesundheitsbauten setzten wir fort und nutzen dabei verstärkt die Unterstützung durch digitale Kommunikation.