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Rapid Transformation

Prinzipien zur systematischen Performance-Steigerung
am Beispiel einer Schweizer Privatklinik


PETER BERTKE und MARTIN NUFER

Behnam Tabrizi’s Bestseller „Rapid Transformation – A90-Day Plan for fast and effective Change“ wurde im Jahre 2007 veröffentlicht. Seitdem wurden die dort beschriebenen Prinzipien und Werkzeuge für eine erfolgreiche Transformation von Unternehmen in vielen Industrien angewendet.

Die Schweizer Hirslanden-Gruppe besteht aus 17 Kliniken. Mit über 2.500 Belegärzten und über 10.000 Mitarbeitenden gehört sie zurführenden Privatklinik-Gruppe und stellt das größte medizinische Netzwerk inder Schweiz dar. Der Klinik St. Anna in Luzern als größte Privatklinik in derZentralschweiz gelang eine Transformation zum hocheffizienten Leistungserbringer im Bereich der Akutmedizin.

In diesem Artikel werden 3 Prinzipien aus „Rapid Transformation“ beschrieben, welche in der Klinik St. Anna angewendet wurden. Des Weiteren wird erläutert, welche Vorbehalte adressiert und welchen Hindernissen auf diesem Weg begegnet wurden, welche ökonomischen Resultate erzielt werden konnten, welches neue und gemeinsame Verständnis entwickelt wurde und wie Aspekte dieser Transformation auch auf andere Kliniken übertragen werden können.


3 Prinzipien der Transformation

Prinzip 1: Die systematischeVorgehensweise in 5 Schritten

Die von Behnam Tabrizi geschilderte Vorgehensweise einer Transformation besteht aus 5 Phasen, bei welchen die Phasen 2 bis 4 ca. 30 Tage in Anspruch nehmen sollten und als eigentliche „90-Tage-Transformationsphase“ beschrieben werden. Die Klinik St. Anna wendete die 5 Phasen folgendermaßen an:

1) „Prä-Transformation“: Von großer Bedeutung hatte die Schilderung von Notwendigkeit und Dringlichkeit von Veränderungen in der Klinik selbst, da der ökonomische Druck und die damit verbundenen Herausforderungen einer effizienten und gleichzeitig hoch-qualitativen Leistungserbringung am Patienten steigen. Des Weiteren wurde in dieser Phase eine Steuerungsgruppe gebildet, die sich zusammensetzte aus Mitgliedern der Direktion, des Management sowie des medizinischen Personals unterschiedlicher Berufsgruppen. Der Fokus auf „quick wins“, also auf zügig eintretende positive Resultate, sollte einerseits die grundsätzliche Machbarkeit einer Transformation unterstreichen und Motivation darstellen für weitere, länger dauernde Veränderungsprozesse.

2) „Diagnosedes Patienten“: Mitarbeitende der Klinik verbrachten einen großen Aufwand mit Analysen, Vergleichen und Interpretationen größerer Datenmengen,welche den aktuellen Zustand der Klinik reflektierten. Hierzu gehörten das Erheben von Daten über die Ertragssituation durch die medizinische Dokumentation, die Patientenzufriedenheit, die Personalisierung, Kosten unterschiedlicher Arten, Qualitätsindikatoren und Prozessanalysen. Am Ende dieser Bemühungen konnten ein Abbild von aktuellen Handlungsfeldern der Klinik erstellt und ein erster Eindruck über das mögliche Potenzial gewonnen werden.

3) „Visionfür die Zukunft“: Nach Erkenntnis unterschiedlicher Handlungsfelder wurde das Ausmaß des Deltas zwischen dem aktuellen Status quo und dema ngestrebten Ziel, der Vision der Transformationsbemühungen, deutlich. Die Vision, nämlich die Entwicklung der Klinik hin zum kosteneffizienten Leistungserbringer unter Wahrung der Behandlungsqualität, wurde gemeinsam erarbeitet, formuliert und breit kommuniziert. Des Weiteren wurden erste Konzepte erarbeitet, wie und in welchem Zeitrahmen diese Vision erreicht werden sollte.

4) „Den Weg ebnen“: In dieser Phase der Transformation wurden unterschiedliche Projekte, Maßnahmen und Werkzeuge evaluiert, welche die oben formulierte Vision umsetzen sollten. Nach Priorisierung unter Berücksichtigung von Umsetzungswahrscheinlichkeit, benötigten personellen Ressourcen und Zeitaufwand wurde mit der Umsetzung begonnen.

5) „Durchführung derTransformation“: In dieser Phase wurden insbesondere 3 Aspekte sichergestellt: eine hohe Projekterfolgswahrscheinlichkeit, die Entwicklung und Implementierung von unterschiedlichen Key Performance Indikatoren (KPI’s) sowiedie Überführung der Projekt-Organisation in eine permanente Aufbau-Organisationin der Klinik.

Prinzip 2: Auf kritische Erfolgsfaktoren achten

Aufgrund intensiver Analysen von Transformationen ist bekannt, dass diverse kritische Faktoren – hier angewendet auf die Klinik St. Anna – erfolgreiche von nicht erfolgreichen Transformationen unterscheiden:

  • Allumfassender Ansatz: Das medizinische Personal einer jeden Berufsgruppe (Ärzte, Pflegende,Therapeuten u.a.), involviert in und verantwortlich für die Behandlung von Patienten, wurde von Anfang an konsequent einbezogen in den Transformationsprozess. Ebenso wurden viele unterschiedliche Aspekte in der Leistungserbringung am Patienten (Erträge, Kosten, Verweildauer, Qualität, Personalisierung u.a.) analysiert und somit sprichwörtlich jeder Stein umgedreht.
  • Geschwindigkeit: Die oben genannten unterschiedlichen Aspekte in der Leistungserbringung am Patienten wurden entweder gleichzeitig oder in kurzen Abständen nacheinander adressiert. Dies geschah, um ein stückchenweises, lang andauerndes Vorgehen zu vermeiden und das anfangs generierte Momentum einer Transformation im weiteren Verlauf nicht zu verlieren.
  • Integrativer Ansatz: Unterschiedliche neue Funktionen (z.B. Case Manager, spezielle Projektmitarbeitendefür Fast-Track-Programme), Werkzeuge (z.B. Klinische Pfade) und Prozesse wurden Schritt für Schritt dauerhaft in den klinischen Alltag implementiert.
  • Überzeugung und Unterstützung: Eine tiefe Überzeugung der Sinnhaftigkeit der Transformation und eine breite Unterstützung dieser durch Direktion und Management, viele unterschiedliche Bereiche und Berufsgruppen der Klinik waren ausschlaggebend, um die angestrebten Veränderungen zu erreichen.

Prinzip 3: Arbeiten in Cross-Functional Teams

Häufig als Arterien einer Organisation und imdeutschen Sprachgebrauch gelegentlich als „funktionsübergreifende Teams“ bezeichnet, sind Cross-Functional Teams essenziell für den Erfolg einer Transformation. Sie setzen sich zusammen aus Mitarbeitenden unterschiedlicher Berufsgruppen und Expertise und involvieren aufgrund ihrer Vernetzung im Unternehmen viele andere Mitarbeitende in die Transformation.

Um den Erfolg dieser sicherzustellen, wurden in der Klinik St. Anna diverse Cross-Functional Teams etabliert, welche sich aus Mitgliedern des Managements, von Finanzen, Controlling, Ärzten, Pflegenden, der Personalabteilung und Therapeuten zusammensetzten. Auf diese Weise konnte ein breiter Erfahrungsgrad aus unterschiedlichen Bereichen für die Projektarbeit sichergestellt und diversen Interessen unterschiedlicher Anspruchsgruppen begegnet werden.


Vorbehalte und Hindernisse – und wie diesen begegnet wurden

Vor und während der Transformation galt es, u.a. folgende Vorbehalte zu adressieren und Hindernisse zu überwinden:

Der größte Vorbehalt war die Befürchtung der Kompromittierung von Behandlungsqualität und Patientenzufriedenheit auf dem Wege hin zur kosteneffizienten Leistungserbringung am Patienten. Der Ursprung dieser Sorge ist häufig das Verständnis, dass eine Steigerung der Effizienz nicht einhergehen könne mit einer Wahrung oder sogar Steigerung von Behandlungsqualität und Patientenzufriedenheit. Diesem zwar nachvollziehbaren, aber aus unserer Perspektive letztendlich nicht zutreffenden Vorbehalt wurde einerseits begegnet durch das konsequente Messen und Beurteilen von Qualitätsindikatoren, andererseits konnten in ersten Projekten gleichermaßen eine Steigerung von Kosteneffizienz, Qualität und Patientenzufriedenheit gezeigt werden.

Ein anfängliches Hindernis war die fehlende Erkenntnis von Notwendigkeit und Dringlichkeit von Veränderungen (s.o., „Prä-Transformation“). Aus diesem Grund war es von großer Bedeutung, die Herausforderungen wie stetig sinkende Erträge, die Notwendigkeit einer gleichzeitig hoch-qualitativen Patientenbetreuung bei geringer werdenden Ressourcen und zunehmende regulatorische Vorgaben im Gesundheitssystem sowie die Konsequenzen daraus transparent und breit zu kommunizieren.

Ein weiterer Vorbehalt waren Bedenken über das Ausmaß der Arbeit, welches mit systematischen Veränderungsprozessen im Rahmeneiner Transformation einhergeht. Durch die Reduktion der Verweildauer als eine der ersten Maßnahmen wurde die Arbeitslast des medizinischen Personals signifikant reduziert. So konnte einerseits das medizinische Personal entlastet werden, andererseits konnten medizin-ökonomisch interessierte Mitarbeitende unterschiedlicher Berufsgruppen einen Teil ihres Pensums anstehenden Projekten zur Verfügung stellen, sodass es insgesamt nicht zu einer Steigerung der Arbeitslast kam und auch kein weiteres Personal rekrutiert werden musste.


Ökonomische Resultate

Zu den erzielten Resultaten gehörten u.a. eine Reduktion der Verweildauer in ausgewählten Fachbereichen um bis zu 50% (z.B. im Bereich der elektiven Hüft- und Knie-Endoprothetik), eine Reduktion klinikweiter Laborkosten von ca. 1.350.000 €/Jahr, eine Reduktion der Medikamentenkosten von ca. 280.000 €/Jahr im Bereich der Inneren Medizin sowie eine Reduktion der klinikweiten Implantat- und Einwegmaterialkosten von ca. 912.000€/Jahr.

Diese ökonomischen Resultate wurden zusammen mit Qualitätsindikatoren erhoben, welche sich in keinem Fall verschlechtert, sondern teilweise deutlich verbessert haben wie eine klar unter dem landesweiten Durchschnitt liegende Rehospitalisationsrate bei herzinsuffizienten Patienten, eine deutlich gesunkene Blut-Transfusionsrate bei orthopädischen Operationen und eine signifikant bessere Patientenzufriedenheit im Fachbereich der Neurochirurgie.


Ein neues und gemeinsames Verständnis

Zusätzlich zu oben beschriebenen ökonomischen Resultaten wurde in mehreren Bereichen ein neues und gemeinsames Verständnis erlangt:

Erstens führte die Erkenntnis, dass eine Steigerung der Kosteneffizienz nicht automatisch einhergeht mit einer Reduktion von Behandlungsqualität und Patientenzufriedenheit, zu einem positiven Einfluss auf die Einstellung vieler Mitarbeitenden den Transformationsbemühungen gegenüber.

Zweitens wurde klar, dass eine Performance-Steigerung einhergehen sollte mit der Messung von Qualitätsindikatoren; dies nicht nur, um anfangs befürchtete negative Effekte auf Behandlungsqualität und Patientenzufriedenheit frühzeitig zu erkennen, sondern auch, um eine Verbesserung dieser durch eine Performance-Steigerung nachweisen zu können.

Drittens führte die Aussagekraft von Daten, von ihrer Analyse bis hin zur Interpretation und daraus folgenden Konsequenzen, zur Erkenntnis über ihre große Bedeutung bei Veränderungsprozessen.

Viertens wurden Annahmen – unabhängig von welcher Berufsgruppe oder Hierarchie-Stufe getroffen –konsequent hinterfragt und das Treffen von Annahmen durch eine Erhebung von Daten zur Verifizierung oder auch Widerlegung derselben ersetzt.

Fünftens wurde klar, dass zwei häufig einzeln betrachtete Welten – die Management-Welt und die medizinisch-wissenschaftliche Welt – als eine Welt mit gemeinsamen Interessen verstanden werden sollten und dieses Verständnis essenziell ist, um das volle Potenzial der Transformation ausschöpfen zu können (s. Abb.1).

Abb. 1 Notwendiges Verständnis zweier häufig einzeln betrachteter Welten – der Management-Welt und der Medizinisch-Wissenschaftlichen Welt – als eine gemeinsame Welt


Skalierung und Transfer

Die Prinzipien und Werkzeuge von „Rapid Transformation“ konnten erfolgreich in der Klinik St. Anna angewendet werden. Natürlich stellt sich unweigerlich die Frage nach einer Skalierung resp. einem Transfer oben beschriebener Vorgehensweisen und Effekte auf andere Kliniken. Die Antwort, wie dies gelingen kann, sollte differenziert erfolgen:

Ein datenorientierter Ansatz, das Arbeiten in Cross-Functional Teams und das Beachten kritischer Erfolgsfaktoren können sicher auch auf andere Kliniken mit Transformationsabsichten übertragen werden. Nichtsdestotrotz sollten das Patientengut einer Klinik (z.B. elektive Medizin oder breite Akutmedizin), der Reifegrad der Organisation selbst, ihre Kapazitäten für das Erheben von komplexen Daten sowie die Verfügbarkeit von Know-How im medizin-ökonomischen und im Projektmanagement-Bereich berücksichtigt werden.

Die Antwort auf die Frage nach Skalierung resp. Transfer liegt vermutlich in einem hoch-motivierten, erfahrenen Team, welches sich aus Mitarbeitenden unterschiedlicher Berufsgruppen zusammensetzt und imstande ist, auf unterschiedliche Herausforderungen in diversen Kliniken zu reagieren. Es erscheint sinnvoll, eine Skalierung resp. einen Transfer in ähnlichen Kliniken wie der Klinik St. Anna vorzunehmen, in welchen dasmedizinische Personal, Management und Direktion motiviert sind für Veränderungsprozesse und ein gewisses Ausmaß an Kapazitäten und Know-How vorhanden ist.


Zusammenfassung

Die Prinzipien und Werkzeuge aus Behnam Tabrizi’s Buch „Rapid Transformation“ stellen eine sinnvolle Vorgehensweise für Transformationen von Unternehmen dar. Für die Transformation der Klinik St. Anna hin zu einem der kosteneffizientesten Leistungserbringer im Schweizer Gesundheitswesen war diese Vorgehensweise ausschlaggebend. Der Weg der Klinik St. Anna und die Methoden zur systematischen Performance-Steigerung unter Wahrung der Behandlungsqualität können dem Buch „Performance-Steigerung Krankenhaus“ von Peter Bertke und Martin Nufer entnommen werden (Bertke u. Nufer 2020).


Quellen

Bertke P, Nufer M (2020) Performance-Steigerung Krankenhaus: Mehr Leistung und Qualität mit System. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin

Tabrizi BN (2007) Rapid Transformation – A 90-Day Plan for Fast and Effective Change. Harvard Business Review Press

Peter Bertke

Peter Bertke ist Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Nephrologie FMH. Er ist seit ca. 15 Jahren im schweizer Klinikwesen tätig. Nebenberuflich erwarb er einen MBA an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen/Nürnberg und setzte seine Managementausbildung berufsbegleitend von2014 bis 2018 an der Stanford University, USA, fort. Zu seinen Interessen im Gesundheitsmanagement zählen neben Aspekten der Performance-Steigerung u.a. das Projekt-, Qualitäts- und Innovationsmanagement.

Martin Nufer

Martin Nufer ist Direktor der Hirslanden Klinik St. Anna in Luzern. Er ist Facharzt für Allgemeine Innere Medizin FMH und Notfallmedizin SGNOR und verfügt über eine mehr als 25-jährige klinische Berufserfahrung. Nach seiner medizinischen Weiterbildung verbrachte er zwei Jahre am Massachusetts Institute of Technology(MIT) in Boston und erwarb dort einen Master of Science in Management. Seit 2007 arbeitet er in der Hirslanden Klinik St. Anna in Luzern, bis 2018 als Medizinischer Direktor, danach als Direktor. Seine Interessen gelten speziell dem Qualitäts- und Performancemanagement, der Organisationsentwicklung sowie der aktiven Gestaltung der Betriebskultur.


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