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3 Fragen an...

Dr. med. Nahlah Saimeh ist seit Mai 2018 in selbstständiger Tätigkeit als Sachverständige für Forensische Psychiatrie mit Schwerpunkt schwere Gewaltdelinquenz und Sexualdelinquenz.


1. Worauf kommt es bei der Begutachtung von Menschen, die wegen einer Sexualstraftat beschuldigt werden, an und was sind die wichtigsten Eigenschaften, die man als Gutachter:in dafür mitbringen sollte?

Fachlich kommt es auf eine qualifizierte forensisch- psychiatrische Ausbildung einschließlich sexualmedizinischer Kenntnisse sowie auf Erfahrung in der Diagnostik und Behandlung von Sexualstraftätern an. Als Gutachter:in muss man die eigene Rolle kennen, reflektiert mit dem Thema Sexualität umgehen können und man muss die Fähigkeit besitzen, sachlich auf die Tatszenarien zu blicken. Man muss beschreiben, wie Sexualität, Delinquenz und Persönlichkeit eines Menschen zusammenhängen und vor allem die richtige Delikthypothese erarbeiten und die risikorelevanten Eigenschaften erkennen. Und natürlich muss man in der Lage sein, eine Gesprächssituation mit grundsätzlicher Wertschätzung zu gestalten und dabei dennoch unparteiisch zu bleiben.

2. Im Buch heißt es: „Mit welch unterschiedlichem Maß an Empörung die Bevölkerung auf schwere sexuelle Übergriffe reagiert, hängt auch in der jüngeren Geschichte offenbar ab vom Geschlecht, Alter und der entwicklungspsychologisch begründeten Sexualitätsferne des Opfers.“ Können Sie das erläutern?

Allgemeine moralische Grundsätze, Sexualmoral und nicht zuletzt die Definition dessen, was wann eine Sexualstraftat ist, hängen von kulturellen und gesellschaftspolitischen Bedingungen ab. Um nur wenige Beispiele zu nennen: Ehebruch ist in islamischen Ländern eine Straftat. Vergewaltigung in der Ehe ist in Deutschland erst seit Juli 1997 strafbar. In den 70er Jahren galten Tramperinnen als selbst Schuld, wenn sie Opfer einer Sexualstraftat wurden. Fragen nach der zur Tatzeit getragenen Kleidung gehörten zum Standard, heute ist das undenkbar. Diese Beispiele zeigen die kulturelle und die gesellschaftspolitische Abhängigkeit normativer Aspekte des Sexualstrafrechts und der damit verbundenen Rezeption sexueller Verhaltensweisen bzw. sexueller Übergriffe. 

3. Ist es also vielleicht gar nicht so einfach, immer zu entscheiden, ob ein Verhalten eine Sexualstraftat ist?

Der Dreh-und Angelpunkt unseres modernen Sexualstrafrechts ist das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Jegliche Handlungen, die diesem Recht zuwiderlaufen, sind Sexualstraftaten. Wir haben kein Sittlichkeitsstrafrecht. Es geht nicht um moralische Aspekte im Bereich der Sexualität. Als Gutachter:in hat man nicht zu beurteilen, ob eine Handlung strafrechtliche Relevanz hat, sondern es werden ja vom Gericht bzw. durch das Urteil Handlungsweisen von strafrechtlicher Relevanz konkret definiert und diese sind Grundlage für die Begutachtung. Und dann gibt es natürlich auch noch Straftaten, die durch ihre Art und Weise der Begehung faktisch einen sexuellen Bezug haben, auch wenn das zugrunde liegende Motiv womöglich gar nicht explizit ein sexuelles ist. Das sind dann die gutachterlich herausfordernden Fragestellungen.


Nahlah Saimeh, Peer Briken und Jürgen L. Müller geben in Sexualstraftäter einen umfassenden Überblick über das Standardwissen zu Exploration, Diagnostik, Schuldfährigkeitsbeurteilung und Risk Assessment von Sexualstraftätern sowie Hinweise zur Therapie und Beurteilung von Therapieverläufen. 



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